Kosmischer Kraftprotz Bizarrer Stern besitzt Rekord-Magnetfeld
Sie sind nur wenige Kilometer groß, extrem kompakt und besitzen vor allem ein ungeheuer starkes Magnetfeld: So genannte Magnetare zählen zu den exotischsten Objekten im Universum. Höchstens zehn solcher seltsamen Sternenleichen sind den Astronomen überhaupt bekannt, und ihre magnetischen Eigenschaften konnten bislang bloß indirekt bestimmt werden.
Jetzt ist es einem Forscherteam gelungen, das Feld eines solchen Monster-Magneten zu messen. Die Wissenschaftler um Alaa Ibrahim von der George Washington University haben energiereiche Strahlungsblitze analysiert, die von einer Quelle namens SGR 1806-20 im Sternbild Schütze ausgesandt wurden. Dieses Himmelsobjekt hatten Astrophysiker erst vor wenigen Jahren als Magnetar entlarvt.
Aus Beobachtungen mit dem Nasa-Röntgensatelliten "Rossi X-ray Timing Explorer" konnten Ibrahim und seine Kollegen auf die magnetische Kraft von SGR 1806-20 schließen. Nach den Berechnungen der Forscher muss die Sternenleiche ein rund hundert Milliarden Tesla starkes Feld aufweisen. Zum Vergleich: Das Magnetfeld der Erde beträgt um die 50 Mikrotesla, das stärkste von Menschen erzeugte Feld erreichte etwa 34.000 Tesla.
Damit besitzt der kosmische Kraftprotz das stärkste bislang bekannte Magnetfeld im Universum. Zudem übertrifft der jetzt ermittelte Wert deutlich die bisherigen Schätzungen. "Wenn sich dieser Magnetar so nah an der Erde befände wie der Mond, würde er die Moleküle in unserem Körper neu anordnen", erklärt Ibrahim. Glücklicherweise liegt SGR 1806-20 aber einige zehntausend Lichtjahre entfernt.
Bemerkbar gemacht hatten sich die merkwürdigen Objekte schon vor über 20 Jahren. Erstmals fielen sie 1979 auf, als mehrere Satelliten zeitgleich einen energiereichen Blitz im so genannten weichen Gammabereich registrierten. Nach und nach konnten die unregelmäßig auftretenden Strahlungsgewitter einzelnen Quellen zugeordnet werden. Die Wiederholungstäter erhielten den Namen "Soft Gamma-ray Repeater" (SGR).
Wie sich herausstellte, stimmt die Position von SGR 1806-20 mit der eines Supernova-Überrestes überein. Solche Trümmerwolken entstehen, wenn ein massiver Stern am Ende seiner Laufbahn explodiert. Während seine Hülle nach außen schießt, kann der Kern zu einem kompakten Neutronenstern kollabieren. Es war also wahrscheinlich, dass die Gammablitze von einer bizarren Unterart solcher Sternenleichen ausgesandt wurden.
Als Erklärung für die Ausbrüche schlugen Theoretiker 1992 die Existenz von Neutronensternen mit einem enormen Magnetfeld vor - das Magnetar-Modell war geboren. Die unvorstellbaren Kräfte würden, so die These, immer wieder die Oberfläche der rotierenden Sternenleiche aufreißen. Das bei solchen stellaren Beben herausgeschleuderte und im Magnetfeld gefangene Plasma könnte die beobachteten weichen Gammablitze hervorrufen.
Eine Bestätigung dieser Theorie ließ bis 1998 auf sich warten. Beim Vergleich verschiedener Strahlungsschübe von SGR 1806-20 stellten Forscher fest, dass sich ein regelmäßiges Pulsen im Nachleuchten der Ausbrüche über Jahre leicht verlangsamt hatte. Offensichtlich bremste tatsächlich ein gewaltiges Magnetfeld die Rotation des Neutronensterns. Dieses müsse, so die damalige indirekte Schätzung, in der Größenordnung von zehn Milliarden Tesla liegen.
Der direktere Nachweis gelang jetzt Ibrahim und Kollegen: Sie entdeckten im Spektrum der Ausbrüche von SGR 1806-20 verdächtige Dellen. Diese entstehen nach Ansicht der Wissenschaftler durch Protonen, die bei einem Beben des Magnetars freigesetzt und durch das immense Magnetfeld auf spiralförmige Bahnen gezwungen werden. Die von den Forschern gefundenen Merkmale entsprechen genau der Energie, die solche geladenen Teilchen in einem Feld von hundert Milliarden Tesla absorbieren würden.
Von dieser Messmethode erhofft sich das Team, dessen Ergebnisse in den "Astrophysical Journal Letters" erschienen sind, weitere Aufschlüsse über die noch kaum erforschten Magnetare. "Niemand würde solchen Objekten gerne nahe kommen", sagt Ibrahim. "Wir haben jetzt aber einen Weg gefunden, um aus der Ferne die Physik von Materie zu studieren, die sich unter dem Einfluss extremer Gravitation und enormen magnetischen Kräften befindet."