Kollidierende Neutronensterne Gigantischer Crash schleudert Unmengen Gold ins All

Schon ein einzelner Neutronenstern ist ein Ort der Extreme. Was aber passiert, wenn zwei dieser unglaublich dicht gepackten Sternenleichen kollidieren? Astronomen berichten nun von den Spuren solch eines Crashs. Ein Nebenprodukt: bis zu 735 Trilliarden Kilogramm Gold.
Zwei Neutronensterne kollidieren (Illustration): Ursprung seltener schwerer Elemente

Zwei Neutronensterne kollidieren (Illustration): Ursprung seltener schwerer Elemente

Foto: Dana Berry/ SkyWorks Digital

Dass die Alchemisten früherer Jahrhunderte sämtlich daran scheiterten, Gold herzustellen, hat schon seinen Grund. Das Edelmetall, so berichten Astronomen, entsteht nicht einmal im Inneren der Sonne und anderer Sterne. Es ist deshalb - wie auch manch anderes schwere Element - im Universum ausgesprochen selten.

Zum Erschaffen von Gold sind besonders extreme Bedingungen nötig - und von solch einem Ereignis berichten Astronomen nun: Sie vermuten, Spuren der Kollision zweier Neutronensterne gesichtet zu haben. Und bei diesem kosmischen Crash entstand unter anderem Gold, und zwar in rauen Mengen. Bis zu zehn Mondmassen könnten es sein, sagt Edo Berger vom Harvard-Smithonian Center for Astrophyics in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts). Das entspricht rund 735 Trilliarden oder 7,35*1023 Kilogramm. Oder, wie es Berger flapsig formulierte: "Eine ziemliche Menge Schmuck!"

Neutronensterne sind die Überreste von Sternen, die bereits als Supernova verglüht sind. Ihre Materie ist extrem dicht gepackt: die Masse von anderthalb bis zwei Sonnen - konzentriert in einem Ball, der nur rund 20 Kilometer Durchmesser hat. Kollidieren zwei Neutronensterne, so die Theorie, entsteht ein kurzer Gammablitz. In solch einem Strahlenausbruch kann in weniger als zwei Sekunden mehr Energie freigesetzt werden, als unsere Sonne in ihrer gesamten Lebensspanne von Milliarden Jahren abgibt.

Relativ dicht für eine Gammablitz-Quelle

Nachdem verschiedene Teleskope Mitte Juni einen kurzen Gammastrahlenausbruch registriert hatten, fanden Astronomen Hinweise, die die Vermutung stützen, dass dieser von zwei ineinanderfallenden Neutronensternen erzeugt wurde.

Die Quelle des Ausbruchs liegt rund 3,9 Milliarden Lichtjahre entfernt von der Erde. Das ist - für einen Gammablitz-Ursprung - recht nahe. Würde ein solches Ereignis in einer Entfernung von weniger als 3000 Lichtjahren passieren, könnte es das Leben auf der Erde auslöschen. Und Forscher vermuten, dass auch etwas weitere entfernte Strahlenausbrüche deutliche Spuren hinterlassen - so gibt es Hinweise für einen Gammablitz-Treffer vor rund 1200 Jahren.

Auf den im Juni gemessenen Blitz "GRB 130603B", der in weniger als zwei Zehntelsekunden vorbei war, folgte ein Tage anhaltendes Nachglühen, das vor allem im Infrarotbereich messbar war. Dieses Glühen stamme von exotischen radioaktiven Elementen, die zerfallen, berichten die Forscher um Berger, die ihre Arbeit beim "Astrophysical Journal" eingereicht  haben. Astronomen hatten schon vermutet, dass bei der Kollision von Neutronensternen radioaktive Elemente entstehen - die jüngste Beobachtung stützt diese These.

Das Gold macht den Berechnungen der Forscher zufolge nur einen kleinen Anteil der Materie aus, die von den zusammenrasenden Sternenleichen ausgestoßen wurde. Insgesamt hätten sie etwa ein Prozent der Sonnenmasse beim Gammastrahlenausbruch ins All geblasen, was 1,9*1028 Kilogramm entspricht. Da fallen zehn Mondmassen gar nicht mehr so stark ins Gewicht.

Möglicherweise ist sämtliches Gold im Kosmos bei solchen kurzen Gammastrahlenausbrüchen entstanden, mutmaßen die Astronomen. "Um es frei nach Carl Sagan zu sagen: Wir sind alle Sternenstaub, und unser Schmuck ist Sternencrash-Staub", sagt Berger.

wbr
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