Gutachten für die Esa Experten empfehlen europäische Mondmission in zehn Jahren

Der Weltraum ist umkämpft, es lockt ein Milliardengeschäft, sagen Gutachter. Ihr Rat: Um sich zu behaupten, muss Europa in der Raumfahrt unabhängig werden und bald einen Menschen zum Mond schicken.
»Ariane 5«: Derzeit hat Europa keine Rakete, die Menschen ins All bringen könnte

»Ariane 5«: Derzeit hat Europa keine Rakete, die Menschen ins All bringen könnte

Foto: Nicolas Economou / NurPhoto / Getty Images

Es wäre eine Kehrtwende in der europäischen Raumfahrtpolitik: Statt sich auf Partner wie die USA zu verlassen, soll Europa unabhängiger im Weltraum werden und innerhalb von zehn Jahren die Bedingungen für eine bemannte europäische Mondmission schaffen. Das steht zumindest in einem unabhängigen Expertenbericht, den der Ministerrat der Europäischen Weltraumorganisation Esa in Paris besprochen hat.

»Länder, die ihren unabhängigen Zugang zum Weltraum nicht sichern, werden strategisch abgehängt«, heißt es in dem Papier, das die Esa selbst beauftragt hat. Das Weltall verspreche ein einträgliches Geschäft. »Europa sollte das Ziel haben, ein Drittel dieses Zukunftsmarktes zu erobern.« Zu dem 12-köpfigen Beratergremium gehört auch der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.

Europa fehlt die passende Rakete

Aktuell wird die globale Raumfahrtwirtschaft laut Bericht auf einen Wert von bis zu 450 Milliarden Euro geschätzt, Tendenz steigend. Im Jahr 2040 könnte der Markt auf eine Billion Euro wachsen. Die Nachfrage für Satelliten, die Navigation ermöglichen, Fernsehprogramme übertragen oder Daten für Wetterprognosen liefern, ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen und es gibt potenziell lukrative Großprojekte. Das Raumfahrtunternehmen SpaceX verspricht zum Beispiel, seine Cloud aus Starlink-Satelliten könne jeden beliebigen Ort auf der Erde zu einem Internethotspot machen.

»Vergleicht man Europas Ambitionen mit den Investitionen anderer Staaten und Firmen, wird die Kluft immer größer«, sagte Hermann Ludwig Moeller vom European Space Policy Institute in Wien dem SPIEGEL . Der Anteil des Weltraumbudgets an der Wirtschaftsleistung liege in Europa im Schnitt bei 0,05 Prozent, in den USA dagegen bei 0,25 Prozent.

Esa-Chef Josef Aschbacher hat zwar schon des Öfteren das Ziel ausgegeben, Europa möge unabhängiger werden und künftig aus eigener Kraft sogar Astronautinnen und Astronauten ins All befördern. Doch dazu fehlt die passende Rakete.

Aktuell nutzt man die Modelle »Vega« und »Ariane 5«. Sie dienen jedoch dem Transport von Gerätschaften und »Ariane 5« soll in diesem Jahr ihre beiden letzten Flüge absolvieren. Längst bereitstehen sollte »Ariane 6«, doch die neue Trägerrakete wird nach aktueller Kenntnis frühestens Ende 2023 starten, weil bis zuletzt immer wieder technische Probleme aufgetreten sind. Zudem basiert sie technologisch weitgehend auf dem Vorgängermodell – ist also als klassische Wegwerfrakete konzipiert, obwohl Elon Musk mit seiner »Falcon 9« seit knapp einem Jahrzehnt zeigt, wie sich Raketen zumindest teilweise wiederverwerten und so Kosten sparen lassen. Und das Modell ist nicht darauf ausgelegt, Menschen ins All zu bringen. Auch die kleinere neue Trägerrakete »Vega-C« macht Schwierigkeiten.

Zusammenarbeit mit Russland gestoppt

Den USA gelang derweil ein – noch unbemannter – Testflug des Raumschiffs »Orion«, mit dem die Nasa wieder Menschen zum Mond bringen möchte. Ist eine Mondmission vollbracht, sollen US-Astronauten gar zum Mars fliegen. Den will auch Milliardär Elon Musk erobern, der mit seiner privaten Raumfahrtfirma SpaceX inzwischen jene Raketen baut, welche Menschen und Material zur ISS fliegen und SpaceX so für weitere Reisen interessant macht.

Nach den USA stellt China den zweitgrößten Etat für Weltraumprojekte bereit. Die Nation arbeitet derzeit mit Hochdruck an der eigenen Weltraumstation .

In den vergangenen dreißig Jahren haben sich die Europäer vor allem als Juniorpartner angedient, bei Raumfahrtnationen wie Russland und den USA. Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine jedoch hat die Esa die Zusammenarbeit mit Russland für größere Missionen zu Mond und Mars gestoppt und wegen gegenseitiger Sanktionen starten russische Raketen nicht mehr aus Kourou.

»Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der Zugang zum Weltraum der europäischen Expertise und Führung entzieht«, sagte Esa-Chef Aschbacher. Der Bericht sei ein Weckruf an die europäischen Staats- und Regierungschefs, jetzt zu handeln. Wie viel Geld er für eine europäische bemannte Mondmission bräuchte, blieb offen. Die Kosten dürften jedoch in die Milliarden gehen.

Zum Vergleich: Damit die »Ariane 6« überhaupt irgendwann abheben kann, mussten die Esa-Mitgliedstaaten kürzlich erneut 600 Millionen Euro investieren – zusätzlich zu den knapp vier Milliarden, die bereits die bisherige Entwicklung gekostet hat.

koe/chs
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