Planeten-Petition Forscher rebellieren gegen Plutos Degradierung
Es dauerte nur eine Woche, ehe sich der Widerstand formiert hatte: Kaum hatte Pluto seinen Status als vollwertiger Planet verloren, starteten Wissenschaftler eine Kampagne, um die International Astronomical Union (IAU) zur Rücknahme ihrer Entscheidung zu zwingen. Kernstück ist eine Petition, die aus nur zwei Sätzen besteht: "Wir als Planetenforscher und Astronomen sind nicht einverstanden mit der Planeten-Definition der IAU, und wir werden sie nicht verwenden. Es ist eine bessere Definition notwendig."
Die Unterschriftensammlung verbreitete sich in Windeseile in der Fachwelt. "Innerhalb von fünf Tagen haben mehr als 300 Wissenschaftler unterzeichnet", heißt es in der abschließenden Pressemitteilung zur Petition , die am 31. August geschlossen wurde. Insgesamt kamen 305 Unterschriften zusammen - darunter die Namen einiger prominenter Forscher.
Aus Deutschland haben Oliver Hartmann von der Freien Universität Berlin und Stefan Schröder vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung unterschrieben - ebenso wie Gerhard Neukum, der ebenfalls an der FU Berlin arbeitet und für die spektakulären Mars-Bilder der Raumsonde "Mars Express" verantwortlich ist.
428 Experte entschieden über Pluto
"Diese Petition verleiht der Sichtweise, dass die Planeten-Definition der IAU fundamentalen wissenschaftlichen Standards nicht gerecht wird, großes Gewicht", sagte Petitions-Initiator Mark Sykes vom Planetary Science Institute in Tucson (US-Bundesstaat Arizona). Er verlangte einen offenen Entscheidungsprozess, der einen breiteren Querschnitt der Forschergemeinde einbinden solle.
In der fachfremden Öffentlichkeit stieß wohl selten eine Abstimmung unter Forschern auf ein so breites Echo. Im Internet entstanden zahlreiche Pluto-Fanseiten. Ein Aufruf von SPIEGEL ONLINE an die Leser, Merksätze für die neue Planetenriege einzusenden, rief eine enorme Reaktion hervor.
Zu den lautesten IAU-Kritikern unter den Fachleuten gehört Alan Stern vom US Southwest Research Institute, Leiter der "New Horizons"-Mission der Nasa zum Pluto. "Ich glaube, dass sich an unserer Petition mehr Planetenexperten beteiligt haben als an der Abstimmung der IAU." Tatsächlich nahmen an der entscheidenden Sitzung in Prag nur 428 Experten teil, während sich zuvor rund 2500 Forscher auf dem Kongress getummelt hatten. Insgesamt hat die IAU knapp 10.000 Mitglieder.
Was die so zahlreich vorhandenen Pluto-Freunde aber von der Teilnahme am IAU-Kongress in Prag abgehalten hat, verrieten Sykes und Stern nicht. Spätestens als im Juli 2005 die Entdeckung des Zwergplaneten 2003 UB313 bekannt wurde, war die Diskussion um Plutos Planetenstatus in vollem Gange. Dass in Prag die endgültige Entscheidung fallen würde, war bereits Wochen vorher klar.
Rebellen planen offenbar Gegen-Konferenz
Ob die Petition ein größeres Gewicht als die IAU-Versammlung hat, ist ebenfalls offen: Auch 305 Wissenschaftler stellen nur einen kleinen Teil der internationalen Fachgemeinde dar, und auf der Liste sucht man die Namen einiger prominenter Forscher vergebens. Dass Ihnen die Petition unbekannt war, darf bezweifelt werden.
Doch der Streit, der in mehrfacher Hinsicht an das Chaos um die deutsche Rechtschreibreform gemahnt, könnte schon bald um ein Kapitel reicher werden. Stern und seine Mitrebellen wollen offenbar eine Art Gegenkonferenz organisieren, die Pluto wieder in die Riege der Planeten heben soll. Wie das Magazin "New Scientist" auf seiner Internetseite berichtet, könnte die Konferenz Mitte 2007 stattfinden. Die Organisatoren hofften auf bis zu 1000 Teilnehmer.
Offen ist, ob das Eindruck machen wird. Die gleiche Frage gilt für die in der Petition enthaltene Drohung, man werde die neue Planeten-Definition notfalls ignorieren. Denn die IAU gilt nach wie vor als offizielle Instanz bei der Entscheidung über Planeten und ihre Benennung. Der Brockhaus-Verlag etwa wird wohl der IAU die Treue halten: "Wir werden uns nach der Entscheidung der IAU richten und unsere Lexika entsprechend überarbeiten", sagte Verlagssprecherin Petra Singer. Eine Hintertür hält sich der Verlag jedoch offen: "Wir werden den Verlauf der Debatte zunächst weiter verfolgen."
mbe