Signale aus dem All Funkt da wer?

Film-Alien E.T.: »Nach Hause telefonieren«
Foto: Everett Collection / ddp/Everett CollectionDie Signale, die das Parkes Radio-Observatorium im Südosten Australiens im April und Mai 2019 aus Richtung des Gestirns Proxima Centauri empfing, passen nicht ins Muster des üblichen interstellaren Funkfeuers: Mit geringen Schwankungen bewegen sich die Signale im Frequenzbereich um 982 MHz.
Das liegt nur knapp über den Frequenzen, die man für die ersten Generationen des Mobilfunks hier auf Erden verwendet hat. Die leichten, regelmäßigen Frequenzschwankungen entsprechen dem, was man erwarten würde, wenn sich ein stabil auf einer Frequenz funkender Sender regelhaft auf uns zu und wieder von uns wegbewegen würde.
Dopplereffekt nennt sich das, wir kennen es beispielsweise von Krankenwagensirenen, die auf uns zukommend heller klingen als von uns wegfahrend: Je nach Richtung wird die Frequenz gestaucht oder gelängt. Es ist die Bewegung, die aus Perspektive des Empfängers die Frequenz schwanken lässt.
Kurzum: Das Signal sieht aus, als käme es von einem rotierenden Objekt, das sich möglicherweise um den Stern Proxima Centauri herumbewegt.
Dass dort draußen so einiges kreist, wissen wir seit Langem: Proxima Centauri ist mit einer Distanz von »nur« 4,2 Lichtjahren (das entspricht 39,73 Billionen Kilometer) unser nächster Nachbar im All, und er verfügt über ein System mit mindestens zwei Planeten. Einer davon brachte es zeitweilig zu einiger Prominenz, weil seine Umlaufbahn in der potenziell bewohnbaren Zone um Proxima Centauri liegt: Wie die Erde um die Sonne kreist er in einem Abstand um seinen Stern, in dem die zu erwartenden Temperaturen weder zu heiß noch zu kalt für Formen von Leben wären, wie wir es kennen. Wäre es also möglich, dass die Australier ein Alien dabei belauscht haben, wie es per Mobilfunk zu Hause anruft?

CSIRO Radio Teleskop des Parkes-Observatorium, New South Wales, Australien
Foto: Dean Lewins/ dpaWohl eher nicht. Nicht nur, dass dieses fiktive Handy über eine im Wortsinn astronomische Sendeleistung verfügen müsste. Seit 2017 wissen wir auch, dass die vermeintlich bewohnbare Zone – im Englischen verniedlichend gern Goldlöckchen-Zone genannt – im Planetensystem Proxima Centauri diesen Namen nicht wirklich verdient.
Proxima Centauri: Unser Nachbar ist ein Gewalttäter
Grund dafür ist der Zentralstern des Systems, der im Vergleich zur Sonne zwar klein und relativ kühl ist, ansonsten aber ein ziemlich ruppiger Geselle: Seit 2017 wurden mehrere Eruptionen von Proxima Centauri beobachtet, die in Reichweite, Heftigkeit, Hitze und Strahlungsintensität weit über das hinausgehen, was uns unsere Sonne an Stürmen und Protuberanzen gelegentlich zumutet. Inzwischen scheint klar: Sollte auf den Planeten des Systems einmal etwas gelebt haben, wäre es inzwischen wahrscheinlich gut durchgegrillt.
Aber vielleicht kämen ja natürliche Ursachen für die Signale infrage? Der Blick in unsere unmittelbare Nachbarschaft zeigt, dass auch die Magnetfelder von Planeten relativ schmalbandige Signale verfunken – zumindest in einem engeren Frequenzspektrum als Sonnen, Quasare, Neutronensterne und all die anderen kosmischen Radioquellen: die lärmen auf allen nur erdenklichen Frequenzen. Auch die Planeten-Magnetfelderklärung greift jedoch nicht so richtig, denn dafür ist das empfangene Signal viel zu eng begrenzt und viel zu kräftig.
Aber das Signal muss ja auch nicht im System Proxima Centauri seinen Ursprung haben – es kam eben nur genau aus dieser Richtung. Prinzipiell könnte sein Ursprung aber überall auf dieser Richtungsachse liegen – und das schließt Orte in Hunderttausenden Lichtjahren Entfernung genauso ein wie erheblich näherliegende Ursprungsorte.

Planet Proxima b, künstlerische Darstellung: Galt als Lebenskandidat, ist aber möglicherweise zu hoher Strahlung ausgesetzt
Foto: M. KORNMESSER/ AFPDie meisten Exotensignale entpuppen sich als Erdfunk
Auch damit haben Radio-Astronomen so ihre Erfahrungen: Der Mensch hat dafür gesorgt, dass viel zu viele Dinge auf viel zu vielen Frequenzen den Äther zufunken – das Weltall störungsfrei abzuhorchen ist keine profane Aufgabe. Die meisten wirklich exotischen Signale entpuppen sich so nach eingehender Untersuchung als ziemlich irdische Phänomene, sagte auch der Astrophysiker Pete Worden, Chef der Breakthrough Initiative, die das Signal entdeckt hat und Teil des SETI-Projektes ist (Search for Extraterrestial Intelligence), dem »Scientific American«: »Am wahrscheinlichsten ist eine menschliche Ursache. Und wenn ich das sage, meine ich 99,9 Prozent wahrscheinlich.«
Nur welche? Wordens Kollegen, die am Fund und an der Analyse des Datenmaterials beteiligt waren, »kennen keine natürliche Ursache, die ein Signal dieser Art produzieren könnte«.
Das ist anders als beispielsweise 1997, als die Astronomin und langjährige SETI-Chefin Jill Tarter ein exotisches Signal aufspürte, dass weltweit Schlagzeilen produzierte. Tarter wurde so zur Inspiration der von Jodie Foster im Sci-Fi-Film »Contact« gespielten Figur, deren Geschichte allerdings spektakulärer endet als Tarters Entdeckung. Forsters Heldin ritt am Ende gewissermaßen auf dem Signal hinaus in die unendlichen Weiten des Alls, um dort mit gütigen Aliens zu konferieren. Tarter hingegen fand am Ende die Signalquelle im Erdorbit: Es kam von einer Antenne des Soho-Weltraumteleskops.
Die meisten »Exotensignale« entpuppen sich als so profan. Den Extremfall erlebten Forscher vor rund fünf Jahren auch schon am Parkes-Observatorium, als mysteriöse Signale kurzzeitig für helle Aufregung sorgten. Dann war das Essen fertig, die munter funkende Mikrowelle schaltete sich ab und der Zauber war vorüber – auch so was kann passieren.
Warum sie dann überhaupt mit solchen Informationen an die Presse gingen, bevor das Thema bis aufs Letzte ausgeforscht sei, wurden die Breakthrough-Forscher darum naheliegenderweise gefragt. Ihre Antwort: Weil kein bekannter Satellit irdischen Ursprungs im Band um 980 MHz funke, keine natürliche Quelle bekannt sei, die das könne und das Signal darum in sich schon ein aufregendes Phänomen darstelle – selbst wenn es nicht technischen, außerirdischen Ursprungs sein sollte.