

London - Das Universum ist nicht arm an großen Dingen: Schon mit den Ausmaßen von Sternen hat das menschliche Vorstellungsvermögen so seine Schwierigkeiten, ganz zu schweigen von Galaxien oder gar Galaxienhaufen.
Jetzt aber hat ein internationales Astronomen-Team etwas entdeckt, das selbst derartige Strukturen winzig wirken lässt: Eine Gruppe aus 73 Quasaren, die vier Milliarden Lichtjahre lang ist. Wie gigantisch diese Große Quasargruppe (Large Quasar Group, LQG) ist, versuchen die Forscher mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Wäre man in einem Raumschiff mit einem Tempo von knapp 1,1 Milliarden km/h unterwegs - also etwa mit Lichtgeschwindigkeit - bräuchte man vier Milliarden Jahre, um diese Quasargruppe zu durchqueren.
Quasare sind die Kerne aktiver Galaxien aus der Jugendzeit des Universums. Über kurze Zeiträume leuchten sie extrem hell und sind so über riesige Entfernungen sichtbar - wobei "kurz" in kosmischen Maßstäben durchaus ein wenig länger sein kann. In diesem Fall geht es um Zeiträume von zehn bis 100 Millionen Jahren.
Seit den achtziger Jahren ist bekannt, dass sich Quasare in erstaunlich großen Gruppen sammeln. Während Galaxienhaufen Durchmesser von sechs bis zehn Millionen Lichtjahren besitzen können, erreichen Große Quasargruppen mitunter mehr als 600 Millionen Lichtjahre.
Zu groß für das Kosmologische Prinzip
Doch die jetzt entdeckte Gruppe ist mit vier Milliarden Lichtjahren fast siebenmal so groß. Etwas derartiges wurde niemals zuvor beobachtet, schreibt das Team um Roger Clowes von der University of Central Lancashire im britischen Preston im Fachblatt "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society". "Wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass es die größte Struktur ist, die jemals im Universum erspäht wurde", erklärt Clowes in einer Mitteilung seiner Universität. "Das ist sehr aufregend - nicht zuletzt, weil es unserem gegenwärtigen Verständnis von den Größenverhältnissen im Universums widerspricht."
Denn die moderne Kosmologie baut auf das sogenannte Kosmologische Prinzip. Es besagt, dass der Weltraum - wenn man ihn in einem ausreichend großen Maßstab betrachtet - immer gleich aussieht, egal wo der Betrachter sich befindet und in welche Richtung er blickt. Nach diesem Prinzip, das allerdings nie zweifelsfrei bewiesen worden sei, sollte es keine Gebilde von mehr als etwa 1,2 Milliarden Lichtjahren Größe geben, erläutern die Forscher. Sie wollen nun nach weiteren Beispielen für "zu große" Strukturen im Universum suchen.
Beinahe niedlich wirkt daneben ein weiterer Rekordfund, den Astronomen nahezu zeitgleich präsentiert haben: die größte bisher bekannte Spiralgalaxie. Eine Unbekannte ist NGC 6872 für Wissenschaftler nicht, sie gilt schon seit Jahrzehnten als eines der größten Sternsysteme überhaupt.
Jetzt aber hat ein Team das Daten der "Galaxy Evolution Explorer"-Mission der US-Weltraumbehörde Nasa analysiert. Das Ergebnis: Der Durchmesser von NGC 6872 beträgt mehr als 522.000 Lichtjahre. Damit ist sie fünfmal größer als unsere Milchstraße, die ebenfalls eine Spiralgalaxie ist - aber immer noch rund 7700-mal kleiner als die jetzt entdeckte Rekord-Quasargruppe.
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Quasar (Computergrafik): Die Kerne aktiver Galaxien gehören zu den hellsten Objekten des Universums und können sich in gigantischen Gruppen sammeln. Die bisher größte dieser Art haben Astronomen jetzt entdeckt - sie ist rund vier Milliarden Lichtjahre lang.
Rekord-Galaxie: Astronomen haben NGC 6872 zur größten bekannten Spiralgalaxie gekürt, nachdem sie ältere Daten der "Galex"-Mission der Nasa ausgewertet hatten.
Galaxienkollision: Computersimulationen wie diese deuten darauf hin, dass NGC 6872 vor rund 130 Millionen Jahren mit der kleineren Galaxie IC 4970 zusammengestoßen ist.
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