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Mega-Teleskop SKA: Schüsseln in der Wüste

Foto: SKA Organisation

Square Kilometre Array Deutschland steigt bei Mega-Teleskop aus

In Südafrika und Australien entsteht der weltgrößte Teleskop-Verbund - und Deutschland wollte sich an dem Milliardenprojekt beteiligen. Doch nun hat sich die Bundesregierung überraschend verabschiedet. Deutsche Forscher sehen ihre Arbeit gefährdet.

Blicke in bisher verborgene Bereiche des Kosmos - die soll das riesige Radioteleskop SKA ("Square Kilometre Array") ab Ende diesen Jahrzehnts liefern. In Australien und Südafrika werden dazu ab 2016 rund 3000 Parabolantennen aufgestellt und zusammenschaltet, jede von ihnen jeweils 15-Meter groß. Weitab von menschlichen Störungen wird es in der Wüste stehen. Im Jahr 2012 hat die Bundesregierung verkündet, sich an den Vorarbeiten beteiligen zu wollen.

Die Schüsseln sollen bei der Beobachtung von Milliarden von Galaxien und deren Verteilung helfen. Das erlaubt auch Rückschlüsse auf die geheimnisvolle Dunkle Energie. Auch Blicke auf die ersten Schwarzen Löcher und Sterne sollen die sensiblen Antennen möglich machen - und Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie unter extremen Bedingungen.

Claus Lämmerzahl, Chef des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnik und Mikrogravitation an der Universität Bremen (ZARM), beschreibt die Bedeutung des SKA für die Wissenschaft so: "Es ist wie der LHC für die Radioastronomie." Die entstehen Datenmengen sollen den bisherigen Internetverkehr um den Faktor zehn bis einhundert übertreffen.

"Das SKA ist eines der vielversprechendsten Wissenschaftsprojekte für die nächste Generation", sagt Ralf-Jürgen Dettmar vom Astronomischen Institut der Ruhr-Universtät Bochum. Doch aus genau diesem Projekt hat sich die Bundesregierung nun überraschend zurückgezogen - und damit für reichlich Unmut in der Wissenschaftscommunity gesorgt.

Nur wer zahlt, darf das SKA nutzen

Am 5. Juni hat der zuständige Forschungs-Staatssekretär Georg Schütte per Brief den Austritt aus der SKA-Organisation verkündet, die sich um den Bau des Teleskops kümmert. "Die Entscheidung der Beendigung des deutschen Engagements zum jetzigen Zeitpunkt wurde getroffen, um weitere Kosten zu vermeiden und den anderen Partnern Planungssicherheit zu geben", heißt es aus dem Ministerium. Die Kündigung wird Ende Juli kommenden Jahres wirksam.

Das Problem: Mit dem Ausstieg aus der Finanzierung bekommen deutsche Forscher auch keine Beobachtungszeit auf dem Teleskop mehr. Denn nur wer zahlt, darf das SKA nutzen. Das hat das Konsortium - beteiligt sind neben Südafrika und Australien unter anderem China, Indien und Großbritannien - mit deutscher Zustimmung entschieden. Am Tag des deutschen Ausstiegsbeschlusses.

Eigentlich richtete sich die Regelung gegen die USA, die das Teleskop bestenfalls ab 2020 unterstützen wollten. Doch nun könnten durch den Ausschluss deutsche Forscher Probleme bekommen: "Uns wird der Zugriff auf ein Instrument verwehrt, das für die nächsten 50 Jahre zu den globalen Spitzenteleskopen gehören wird", klagt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Der Forscher schätzt, dass bundesweit etwa 400 Forscher betroffen sind.

Der SKA-Teleskopverbund wird extrem teuer. Und das hat die Politik nun offenbar zum Rückzug bewogen. Die gesamten Investitionskosten für die erste Phase schätzt die Bundesregierung auf 650 Millionen Euro - und das wäre nur der Anfang: "Die erste Phase macht 10 Prozent der vollen SKA-Ausbaustufe aus", heißt es aus dem Forschungsministerium. Wie groß der deutsche Anteil an den Kosten gewesen wäre, ist nie konkret festgelegt worden. Die Rede ist von 15 bis 17 Prozent.

Entscheidung "ohne die Wissenschaft"

Mit dem Ausstieg soll der Finanzbeitrag dagegen sehr überschaubar bleiben: Das Ministerium rechnet vor, bisher habe man nur 275.000 Euro aufgewendet. In einer Antwort auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion  war im Jahr 2012 allerdings für Max-Planck-Gesellschaft und Ministerium von einem "Mindestbeitrag in Höhe von insgesamt 1 Million Euro über vier Jahre" die Rede.

"Natürlich, das Geld ist endlich", sagt ZARM-Chef Lämmerzahl. Doch das Votum des Forschungsministeriums komme erstens "sehr überraschend" und sei zweitens "ohne die Wissenschaft" zustande gekommen. Andere Forscher äußern sich ähnlich, sprechen von einer "Katastrophe" und einer "voreiligen Entscheidung". Im Ministerium sagt man jedoch, es habe "umfangreiche Konsultationen mit Hochschulinstituten, der Max-Planck-Gesellschaft sowie der Helmholtz-Gemeinschaft" gegeben.

Bei der SKA-Organisation heißt es , dass neben den deutschen Forschern auch die Industrie unter dem Ausstieg zu leiden habe. Deutsche Unternehmen dürften sich nicht mehr auf Ausschreibungen für den Bau des Teleskops beteiligen. Betroffen wären damit Unternehmen wie Coriant, ein Nachfolgeunternehmen von Nokia Siemens Optical, der Raumfahrtkonzern OHB über seine Tochter MT Mechantronics oder die Maschinenbauer der Schauenburg Gruppe.

In der Bundesregierung ist man sich trotzdem sicher: Deutschland müsse bei großen Forschungsinfrastrukturen "Prioritäten setzen". Dabei könnte es sich etwa um den europäischen Kernfusionsreaktor Iter in Frankreich handeln,bei dem die Kosten aus dem Ruder laufen. Im Ministerium genannt werden allerdings der Röntgenlicht-Freie-Elektronenlaser European XFEL und der Teilchenbeschleuniger FAIR.

Die stehen praktischerweise in Deutschland, in Hamburg und Schenefeld beziehungsweise in Darmstadt - und nicht im weit entfernten Afrika, wo es bisher noch kein einziges internationales Forschungsprojekt dieser Dimension gibt. Der Bau des SKA-Teleskops nehme durch den deutschen Rückzug keinen Schaden heißt es. Vielleicht aber das Ansehen Deutschlands als internationaler Partner in der Region.

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