Rand des Sonnensystems Astronomen entdecken Himmelskörper-Trio

Wissenschaftler fahnden nach weit entfernten Schwarzen Löchern und Exoplaneten, dabei ist selbst die eigene kosmische Nachbarschaft noch voller Rätsel. Jetzt haben US-Astronomen am Rande unseres Planetensystems die erste Triple-Konstellation entdeckt. Mancher vermutet dort sogar einen bislang unbekannten Planeten.
Von Guido Meyer

Seit Pluto seinen Planetenstatus verloren hat, ist die Nummer acht, Neptun, der letzte Planet unseres Sonnensystems. Jenseits davon folgen Pluto, Sedna, Eris und andere Kleinplaneten des Kuiper-Gürtels. In dieser Region am Rande unseres Sonnensystems tummeln sich mehr als tausend eisiger Gesteinsbrocken, deren Herkunft, Existenz und Umlaufbahnen Astronomen nach wie vor Rätsel aufgeben.

"Der Kuiper-Gürtel hat einige Eigenschaften, die mit unserem Standardmodell dieser Region nur schwer zu erklären sind", sagt der Sternenforscher Sofia Lykawka von der Kobe Universität in Japan. So gebe es darin einige Objekte, die nicht auf Neptuns Anziehungskraft reagierten. "Obwohl Neptun der dominierende Himmelskörper im äußeren Sonnensystem ist, unterliegen einige Kleinplaneten seinem Gravitationseinfluss scheinbar nicht."

Dass am Rande unseres Sonnensystems noch lange nicht alles entdeckt wurde, was auch da ist, zeigt der Fund des ersten Triple-Systems. Ein Astronomen-Team um Seth Jacobson von der Cornell University in Ithaca hat nämlich nun die erste Dreier-Konstellation unseres Sonnensystems nachgewiesen. "Diese drei Objekte umrunden die Sonne zwischen den Umlaufbahnen von Neptun und Pluto, in dreißig- bis vierzigfacher Entfernung der Erde von der Sonne", erklärt Jacobson. Ihre Umlaufbahnen seien geneigt gegenüber der Ekliptik, der Ebene des Sonnensystems, so dass sie sich nicht in der Planetenebene aufhielten.

1999 TC 36 lautet die offizielle Bezeichnung dieser Himmelskörper, die schon vor acht Jahren entdeckt wurden, aber erst jetzt als drei eigenständige Objekte interpretiert werden. "Die drei Kleinplaneten umkreisen wahrscheinlich ihren gemeinsamen Schwerpunkt, der wohl zwischen den beiden größeren Objekten liegen dürfte. Diese beiden sind schätzungsweise sechshundert Kilometer auseinander und haben einen Durchmesser von etwa dreihundert Kilometern. Der dritte, äußere, ist kleiner als die anderen beiden", erläutert Jacobson.

Blasen im Eis

Bislang hat das Forscher-Team erst sieben unscharfe Bilder von TC 36 mit dem Spitzer-Weltraumteleskop aufgenommen. Aufgrund von Spektralmessungen können die Astronomen aus dem US-Bundesstaat New York jedoch die Beschaffenheit der Objekte ableiten. Die drei Körper sind demnach wohl fast schon porös, da sie eine sehr geringe Dichte haben von nur einem halben Gramm pro Kubikzentimeter. "Zum größten Teil dürften sie aus Eis bestehen, in dem sich Blasen gebildet haben", mutmaßen die Wissenschaftler. Um mehr über das Triple-System herauszufinden, soll das Weltraumteleskop "Hubble" die drei Objekte demnächst ins Auge nehmen. Oder, wie Forscher Jacobson sagt, "wir müssen halt selbst hinfliegen und sie besuchen".

Und die Randzone des Sonnensystems, welche die beiden "Voyager"-Sonden der Nasa bereits erreicht haben, könnte noch für weitere Überraschungen sorgen: Sofia Lykawka von der japanischen Kobe Universität ist einer der Kosmologen, die jenseits von Neptun einen weiteren, großen Himmelskörper vermuten. Dieser könnte aufgrund seines Schwerkrafteinflusses für die eigenwilligen Orbits einiger Objekte im Kuiper-Gürtel verantwortlich sein. "Wenn es zusätzlich zu den vier Gasriesen einen fünften Planeten in dieser Region gäbe, könnte dieser die Umlaufbahnen einiger Kleinplaneten erklären", sagt Lykawka.

Planet halb so schwer wie die Erde

Er vermutet, dass dieser Planet ursprünglich zwischen Uranus und Neptun entstanden ist. "Ihre sehr starke Gravitationswirkung hat ihn aber hinausgeschleudert. Dadurch erhielt er auch eine größere Inklination." Die Umlaufbahn dieses Objektes also könnte bis zu vierzig Grad geneigt sein gegenüber der Ebene des Sonnensystems, auf der sich die übrigen Planeten bewegen. Es würde daher nur etwa zwei Prozent seiner gesamten Sonnenumlaufzeit auf dieser Horizontalen verbringen, was erklären könnte, warum dieser Himmelskörper noch nicht entdeckt wurde.

"Der Planet wäre drei- bis viermal so weit entfernt wie Pluto", erläutert Lykawka, und könnte damit sowohl innerhalb wie außerhalb des Kuiper-Gürtels liegen. "Wir glauben, dass dieses Objekt etwa die Hälfte der Masse der Erde haben müsste." Mathematisch lässt sich nachweisen, dass ein Planet von dieser Masse und in dieser Entfernung die Stabilität des Kuiper-Gürtels erklären könnte.

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