Raumfähre "Endeavour" Shuttle-Landung könnte die letzte sein

Die Nasa glaubt an eine sichere Landung der Raumfähre "Endeavour" - trotz des beschädigten Hitzeschilds. Für künftige Flüge gilt das offenbar nicht: Erst wenn die beim Start aufgetretenen Probleme gelöst sind, dürfen wieder Shuttles abheben. Das könnte auch heißen: nie wieder.

"Ich kann ihnen versichern, dass 'Endeavour' keinerlei katastrophalen Schaden erleiden wird", sagte Nasa-Flugdirektor Steve Stich vor der Presse in Houston. Die US-Raumfahrtbehörde wollte gestern Abend Zweifel an einer sicheren Landung zerstreuen - die aber trotz wiederholter Beteuerungen einfach nicht verschwinden wollten.

Heute Abend, einen Tag früher als ursprünglich geplant, soll die "Endeavour" zur Erde zurückkehren. Die Landung des Shuttles mit sieben Astronauten an Bord ist für 18.32 Uhr deutscher Zeit am Kennedy Space Center in Florida geplant. Die vorzeitige Rückkehr des Shuttles wurde aus Sorge über den aus der Karibik heranbrausenden Hurrikan "Dean" angeordnet, der inzwischen aber nicht mehr als Bedrohung für das Kontrollzentrum im texanischen Houston eingestuft wird.

In der vergangenen Woche hatten die Fachleute tagelang hin und her überlegt, ob die beim Start durch herabfallenden Isolierschaum beschädigte "Endeavour" im All repariert werden muss oder nicht. Im Hitzeschutzschild an der Unterseite der Fähre klafft ein neun mal fünf Zentimeter großes Loch, das fast bis zur Aluminiumhaut der Raumfähre reicht.

Nach Messungen und Simulationen auf der Erde war man aber zu dem Schluss gekommen, dass der Hitzeschild an der betroffenen Stelle beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre höchstens 176,6 Grad Celsius heiß werden dürfte - und damit keine Gefahr für den Shuttle besteht. Daraufhin beschloss die Nasa, auf eine Reparatur im All zu verzichten.

Schaden zum Glück an unkritischer Stelle

Anders wäre die Situation wohl gewesen, wenn sich ein ähnlich großes Loch an thermisch besonders beanspruchten Stellen der Fähre befunden hätte - etwa an der Nase oder an den Flügelkanten. Im schlimmsten Fall, falls eine Reparatur nicht möglich wäre oder keine ausreichende Sicherheit geboten wäre, hätte die Nasa die Besatzung mit einem zweiten am Boden bereitstehenden Shuttle zurück zur Erde holen und die "Endeavour" aufgeben müssen.

Soweit kam es zwar nicht. Trotzdem wird das Loch in zwei Hitzekacheln womöglich weitreichende Auswirkungen auf die nächsten Shuttle-Flüge haben. Die Nasa will nämlich keine Flüge mehr genehmigen, bis das beim Start der "Endeavour" aufgetretene Problem technisch gelöst ist. Ob dies aber überhaupt gelingt, ist mehr als fraglich.

Nach der "Columbia"-Katastrophe am 1. Februar 2003 hatte die US-Weltraumbehörde zweieinhalb Jahre an der Problematik beim Start herabfallender Schaumstoffteile herumdgedoktert und 1,4 Milliarden Dollar in die Verbesserung der Sicherheit investiert. Doch schon der erste Start nach dem "Columbia"-Absturz im Juli 2005 zeigte, dass die Nasa-Ingenieure das Problem nicht in den Griff bekommen hatten - und das gilt bis heute.

Warum sollte nun in den nächsten Monaten gelingen, was die Experten in den vergangenen Jahren trotz intensiver Bemühungen nicht geschafft haben? Als permanente Lösung des Problems gilt - zumindest bei der Nasa - der Austausch von Aluminiumstreben am Außentank durch solche aus Titan. Dann könnte die Isolierschicht dünner ausfallen. Das Risiko, dass große Schaumstücke abplatzen, würde sinken.

Die letzte Shuttle-Landung überhaupt?

Doch der neue Außentank mit Titanstreben ist vor dem Frühjahr 2008 nicht fertig. Drei bis dahin geplante Shuttle-Missionen stehen somit auf der Kippe - darunter auch der für Dezember geplante Flug, bei dem das europäische Weltraumlabor "Columbus" endlich zur ISS geschafft werden soll. Das ist nur mit einer US-Raumfähre möglich, weil nur sie über ausreichend leistungsstarke Raketen verfügt.

Womöglich erlebt die Welt heute Abend sogar die letzte Shuttle-Landung überhaupt, sofern sich die Probleme mit dem Schaumstoff nicht dauerhaft lösen lassen und auch der neue Außentank wider Erwarten keine Verbesserung bringt. Für die europäische Raumfahrtbehörde (Esa) wäre dies eine Katastrophe: Das mit fast 900 Millionen Euro Steuergeldern finanzierte "Columbus"-Labor könnte als ungenutztes Museumsstück enden. Zudem wäre der weitere Ausbau der Raumstation ISS kaum mehr möglich.

Noch aber gilt für Amerikaner wie Europäer das Prinzip Hoffnung. Die Wettervorhersage für die "Endeavour"-Landung könnte zwar besser sein; es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Regen. Doch Flugdirektor Stich bleibt optimistisch: "Für diese Jahreszeit sieht es sehr gut aus."

Etwa eine Stunde vor der geplanten Landung - also gegen 17.30 Uhr MESZ - muss der Shuttle den sogenannten Deorbit-Burn einleiten. Dabei wird die Fähre mit dem Heck in Flugrichtung gedreht. Für etwa sechs Minuten feuert dann das Triebwerk und bremst die Raumfähre von 28.000 auf etwa 24.000 Kilometer pro Stunde ab. Dadurch sinkt "Endeavour" immer tiefer Richtung Erde und tritt in die Atmosphäre ein. Die Astronauten und ihre Familien können nur hoffen, dass die Nasa-Fachleute bei ihren Simulationen des beschädigten Hitzeschilds keine Fehler gemacht haben.

hda/AP/Reuters

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