Raumfahrt-Recht Das All ist kein rechtsfreier Raum

Wem gehört eigentlich der Weltraum? Und wer haftet, wenn ein Astronaut etwas auf der Internationalen Raumstation beschädigt? Raumfahrt-Recht war bisher vor allem Völkerrecht. Jetzt drängen immer mehr private Firmen ins All - neue nationale Gesetze müssen her.
Von Gregor Honsel

Wenn ein Astronaut auf der Internationalen Raumstation ISS von einem Modul ins nächste schwebt, kann es passieren, dass sein Oberkörper anderen Vorschriften unterliegt als seine Beine, denn in jedem Teil der Station gelten jeweils die Gesetze des Betreiberlandes. So scharf sind die Grenzen zwischen den Rechtsgebieten im All allerdings nicht immer gezogen: Schon der Weltraum selbst ist nur ungenau definiert – er beginnt juristisch gesehen etwa zwischen 80 und 100 Kilometern über der Erde.

Doch ein rechtsfreier Raum ist der Orbit deshalb nicht. Noch vor den ersten Astronauten entdeckten Juristen das All. 1958, mehr als zwei Jahre vor dem ersten bemannten Weltraumflug, richtete die UN das bis heute arbeitende "Komitee zur friedlichen Nutzung des Weltraums" ein. Da Raumfahrt zu dieser Zeit eine Staatsangelegenheit war, war das Raumfahrtrecht zunächst vor allem Völkerrecht. Der erste Weltraumvertrag über die "Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" trat 1967 in Kraft. Ein Jahr später folgte ein Abkommen zur Rettung von Raumfahrern, 1972 kam ein Vertrag zur völkerrechtlichen Haftung für Schäden hinzu. Seit 1976 verpflichten sich die Raumfahrt treibenden Staaten, jedes ins All geschossene Objekt zentral zu registrieren. 1984 schließlich wurden Tätigkeiten auf dem Mond und anderen Himmelskörpern durch ein weiteres Übereinkommen geregelt.

Der Staat ist schuld

Diese zwischenstaatlichen Verträge sind heute noch die Säulen des Weltraumrechts. Daran wird sich zunächst auch wenig ändern: "Mit den für Staaten entwickelten Gesetzen lässt sich auch mit Privaten umgehen", sagt der Rechtsanwalt und Raumfahrtsrecht-Experte Michael Gerhard.

Allerdings müssen sie durch nationale Gesetze ergänzt werden – zum Beispiel bei der Haftungsfrage. Wenn ein Dritter etwa durch abgestürzte Raketenteile zu Schaden kommt, haftet mit einer unbegrenzten Summe unabhängig vom Verschulden der Staat, von dessen Territorium aus das Objekt ins All geschossen wurde; ist der Start-Staat nicht gleichzeitig der Betreiber - wenn etwa eine europäische Mission von russischem Boden aus startet -, sind beide Staaten haftbar. "Dadurch, dass Geschädigte wählen können, ob sie sich an den Staat oder den Betreiber wenden können, sind sie in einer vergleichsweise komfortablen Situation", sagt Gerhard.

Das kann allerdings darauf hinauslaufen, dass ein Staat für einen privaten Betreiber geradestehen muss und auf seinen Schäden sitzen bleibt. "Der Staat muss die rechtliche Grundlage haben, sich gegebenenfalls den Schaden von privaten Betreibern zurückzuholen. Das ist oft noch nicht der Fall", mahnt Gerhard deshalb. In seiner Dissertation hat er ein Gesetz entworfen, das solche Fälle regelt. Etwa 10 bis 15 Länder haben derartige Vorschriften bereits verabschiedet; Deutschland ist nicht darunter. "In den nächsten zwei bis fünf Jahren", sagt Gerhard, "sollte sich Deutschland Gedanken darüber machen."

Verglühen oder Friedhof

Solange aber private Weltraumreisen nicht zum Massenphänomen werden, sieht Gerhard wenig Bedarf für zusätzliche Gesetze. Vieles ließe sich auch über Leitlinien, Verträge und Einzelzulassungen regeln, so wie es auch beim ersten bemannten Privatraumschiff Space-Ship-One gehandhabt wurde. Bis 2004, sagt Gerhard, existierten Zulassungsrichtlinien nur für Materialtransporte oder das Betreiben von Satelliten, nicht für die Beförderung von Menschen. Für das Space-Ship-One wurde das Weltraumgesetz in den USA angepasst und orientierte sich dabei an den Regeln für Luftfahrt, die um die Besonderheiten für das All ergänzt wurden.

Mittels Leitlinien wollen die im "Inter-Agency Space Debris Coordination Committee" vereinten nationalen Raumfahrtagenturen auch den Müll im All bekämpfen. Auch vergibt etwa die Internationale Fernmeldeunion Frequenzen mittlerweile nur noch an Betreiber, die defekte Satelliten in einen höher gelegenen "Friedhofsorbit" oder zum Verglühen in die Atmosphäre bringen.


© Technology Review , Heise Zeitschriften Verlag, Hannover

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