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Rillen, Krater, Felsen: Marsmond Phobos aus der Nähe

Foto: ESA / DLR / FU Berlin / G. Neukum

Raumsonde "Mars-Express" Scharfer Blick auf den Kartoffelmond

Unförmig, felsig, klein - sehr ansehnlich ist der Marsmond Phobos nicht. Dennoch könnte der Gesteinsbrocken ein Vorposten der Menschheit im All werden: Jetzt liefert die Sonde "Mars-Express" spektakuläre Nahaufnahmen von möglichen Landestellen.

Den Mars umkreist ein kartoffelförmiger Felsbrocken, der es den Astronomen angetan hat. Denn der 22 Kilometer kleine Marsmond Phobos soll der Stützpunkt der Menschheit im All werden. "Dieser Mond ist der Schlüssel für die permanente Präsenz der Menschheit auf einem fremden Planeten", sagt beispielsweise der Astronauten-Veteran Buzz Aldrin.

Wegen seiner geringen Schwerkraft wäre das Abenteuer auf Phobos leichter zu bewerkstelligen als eine Landung auf dem Mars oder anderswo. Bei der Suche nach geeigneten Landestellen könnten jetzt neue Fotos der Sonde "Mars-Express" der Europäischen Raumfahrtagentur Esa helfen. Sie hat mit einer Kamera aus Deutschland den Phobos erstmals aus nächster Nähe inspiziert - ihre Fotos bieten spektakuläre Ansichten.

Die Sonde passierte Phobos am 9. Januar: Präzisionsarbeit war dabei gefragt, denn bereits nach wenigen Augenblicken war das Rendezvous im Mars-Orbit wieder vorbei. Bis auf hundert Kilometer kam die Sonde an den Marsmond heran. Um beim hohen Tempo scharfe Fotos zu schießen, musste sie während des Rendezvous mitschwenken. Beide Körper begegneten sich mit dem doppelten Tempo einer Gewehrkugel.

Für die Berechnung des Manövers mussten die Wissenschaftler unter Leitung von Klaus-Dieter Matz vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Berlin sowohl die Phobos-Bahn als auch die Umlaufbahn der Express-Sonde im Voraus berechnen. Eine Korrektur durch die Bodenkontrolle war während der kurzen Annäherungszeit von 40 Sekunden nicht möglich, denn Steuerungssignale von der Erde hätten über 19 Minuten bis zur Express-Sonde benötigt.

Das Manöver funktionierte tadellos - und dennoch: "Idealerweise hätte man die Sonde bei der hohen Vorbeiflug-Geschwindigkeit mit 0,26 Grad pro Sekunde drehen müssen", erklärt Planetenforscher Matz. Die maximale Geschwindigkeit liege jedoch aus technischen Gründen bei lediglich 0,15 Grad pro Sekunde. Eine Art Unschärfe, die aus der Differenz resultiert, könne mittels Bildverarbeitung kompensiert werden.

Mysteriöse Rillen prägen die Landschaft

Die Aufnahmen zeigen die Südhalbkugel von Phobos mit bislang unerreichter Auflösung. Dabei haben die kleinsten sichtbaren Details eine Ausdehnung von rund fünf Metern. Zahllose Krater, Relikte von Meteoriteneinschlägen, prägen die Oberfläche. Hinzu kommen mysteriöse Rillen, so genannte "Grooves", welche die Experten immer noch vor Rätsel stellen. An einer Stelle machten sie einen Felsbrocken aus, der haushoch in den Himmel ragt und dabei einen markantem Schatten in die Landschaft wirft.

Schon von früheren Begegnungen war bekannt, dass Phobos und der noch kleinere Marsmond Deimos Sonderlinge sind. Zwar meinten einige Forscher, dass es sich bei den beiden um Asteroiden handeln könnte, die einst dem Mars zu nahe kamen und von dessen Schwerkraft eingefangen wurden. Ihre kreisrunden Umlaufbahnen sprechen jedoch gegen dieses Szenario. Der Phobos umkreist den Mars in nur 6000 Kilometern Höhe, Deimos in 20.000 Kilometern Höhe. Zum Vergleich: Mond und Erde sind etwa 380.000 Kilometer voneinander entfernt.

Beide Monde wurden 1877 entdeckt, doch erst als vor vier Jahrzehnten die ersten Raumsonden den Mars umkreisten, kam die Forschung auch in Sachen Marsmonde voran: Mit ihren Bildern wurden aus den schwachen Lichtpünktchen kleine Welten mit Bergen, Tälern und natürlich Kratern. Im Jahr 1989 wagte die UdSSR auf Phobos sogar einen Landeversuch, bis auf hundert Kilometer näherte sich die sowjetische Sonde, dann riss der Funkkontakt ab. Doch die Russen geben nicht auf. Für den kommenden November planen sie den Start von "Fobos Grunt" (das ist Russisch für: Phobos-Boden). Die tonnenschwere Sonde soll Anfang 2013 auf vier Beinen auf Phobos landen.

"Fobos Grunt" soll schließlich Bodenproben zur Erde bringen: Etwa 200 Gramm Steinstaub soll der Lander einsammeln, in einer Kapsel verstauen und zur Erde schicken. Dafür werden 50 Kilogramm an wissenschaftlichem Gerät zu Phobos transportiert. Darunter wird auch ein sogenanntes Mössbauer-Spektrometer von der Universität Mainz sein, das auf Eisenminerale im Phobos-Gestein spezialisiert ist. Das faustgroße, silbrige Kästchen ist eine Weiterentwicklung des Instruments, das bereits jahrelang auf den Marsmobilen "Spirit" und "Opportunity" eingesetzt wird.

2014 soll Phobos-Staub auf der Erde landen

Im Jahr 2014 wird es dann spannend: Sollte die Landekapsel mit den Proben sicher geborgen werden, hätte sich Russland nach jahrzehntelanger Abstinenz triumphal in der Planetenforschung zurückgemeldet.

Nach wie vor rätseln Forscher über die Entstehung von Phobos. Mit Radiomessungen versucht man das Mysterium zu lösen: Bei einer engen Begegnung kann der Marsmond eine Raumsonde aus ihrer Bahn ablenken. Während einer solchen Passage ändert sich die Geschwindigkeit um wenige Millimeter pro Sekunde - das führt zu Änderungen der Radiofrequenz. Mit solchen Messungen wurde Phobos bereits gewogen und für vergleichsweise leicht befunden. Da auch sein Volumen bekannt ist, konnten die Forscher seine mittlere Dichte ermitteln: Sie beträgt 1,87 Gramm pro Kubikzentimeter. "Das ist viel leichter als das Krustengestein des Mars. Ein zusammenhängendes Stück Fels, abgesprengt bei einem Einschlag, kann Phobos also nicht sein", stellt Martin Pätzold vom "Mars-Express"-Team klar.

Ähnelt Phobos möglicherweise den sogenannten "Rubble piles"-Asteroiden? Im Planetologen-Jargon bedeutet das "lockerer Geröllhaufen". Darauf deuten jüngste Forschungsergebnisse hin. Demnach entstand Phobos durch eine Explosion auf dem Mars. Der Marsmond scheint aus Geröllteilen zu bestehen, die vom Roten Planeten stammen. Die Fragmente fügten sich aufgrund ihrer Schwerkraft zum Marsmond zusammen.

Hohlräume im Innern

Alan Harris, Asteroiden-Experte beim DLR, hält diese Interpretation für stimmig, insbesondere wegen des größten Kraters auf Phobos: "Den gewaltigen Einschlag, der den Krater Stickney schuf, konnte nur ein 'Rubble Pile' aushalten. Ein fester planetarer Körper wäre wohl unter der Wucht des Aufpralls zerfetzt worden." Was der Ursprung der Trümmer war, ist allerdings noch umstritten. Es könnte ein Asteroid gewesen sein, der in Stücke brach. Andererseits könnte Phobos auch aus Mars-Trümmern bestehen, die bei einem Einschlag bis in die Umlaufbahn flogen.

Bereits heute ist klar, dass es im Innern von Phobos reichlich Spalten und Klüfte geben muss. Etwa 25 bis 35 Prozent seines Körpers dürften aus Hohlräumen bestehen. Was bedeutet das für die Entstehung des Marsmondes? "Wahrscheinlich ist er ein Himmelskörper der zweiten Generation", vermutet Pätzold. "Er hat sich wohl erst nach der Entstehung des Mars in dessen Umlaufbahn aus Trümmerstücken formiert."

Während solche Fragen künftige Sonden klären werden, fordern einige Experten nun bemannte Raumflüge zum Phobos. Leroy Chiao, Ex-Astronaut und Weltraumberater des Weißen Hauses, forderte Anfang 2010 im Magazin "New Scientist" die Landung von Astronauten auf dem Phobos. Einen geeigneten Landeplatz meinen die Esa-Forscher auf den neuen Fotos bereits gefunden zu haben.

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