Raumsonden-Crash "Galileo" stirbt als Feuerball

Die Nasa-Sonde "Galileo" steht wenige Stunden vor ihrem letzten Auftrag. Das alte und strahlenkranke Raumschiff wird nach einem Kamikaze-Manöver in der stürmischen Gashülle des Jupiters verglühen - um eventuell vorhandenes Leben auf dessen Mond Europa zu schützen.



Nur wenige Stunden trennen das erfolgreiche Raumfahrtprojekt von seinem Ende. Die hoch betagte Sonde soll am Sonntagabend gegen 21.00 Uhr deutscher Zeit in der Atmosphäre des Jupiters verglühen. Nach fast 14 Jahren Dienstzeit im All ist "Galileos" Raketensprit annähernd verbraucht und die Bordelektronik strahlenkrank: Die Manövrierunfähigkeit des Raumvehikels wäre nur noch eine Zeitfrage, aber die Nasa will eine Kontaminierung des Jupitermondes Europa verhindern.

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Ende einer Mission: Galileos feuriger Abschied

Foto: AP/ NASA/ JPL

Das Traumziel für Astrobiologen soll vor dem unsterilen "Galileo" geschützt werden, denn ein unkontrollierter Absturz auf Europa könnte, so fürchtet die Weltraumbehörde, irdische Keime auf den Eismond bringen. Eine Kontaktaufnahme auf Mikroben-Ebene soll jedoch unter allen Umständen vermieden werden. Noch vor zehn Jahren hätte wohl kaum ein Forscher über Europa-Mikroben nachgedacht, doch "Galileo" hat die damaligen Vorstellungen über mögliche Lebensoasen im Planetensystem über den Haufen geworfen. "Die wahrscheinlichen Ozeane unter den Oberflächen der Monde Europa, Ganymed und Kallisto sind sicherlich ein großes Highlight der Mission", resümiert Harald Krüger vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. "Die Entdeckung gelang nicht durch die Bilder der Bordkameras, sondern durch Magnetfeldmessungen und die genaue Bahnanalyse bei nahen Vorbeiflügen an den Monden."

Eine mehrere Hundert Kilometer mächtige Wasserschicht mit der Leitfähigkeit irdischen Meerwassers sei dabei aufgefallen, so der Astrophysiker. Das nasse Lebenselixier gilt unter Exobiologen als Wegweiser zu Aliens. Ein erstaunliches Resultat, hatten doch die Forscher zuvor die gefrorene, sonnenferne Ödnis als möglichen Ort außerirdischen Lebens abgeschrieben.

Die Marathon-Mission der Jupitersonde begann mit dem Start im Oktober 1989. Für einen Direktflug zum Gasriesen und seinen 59 Monden reichte der Raketenschub für das zwei Tonnen schwere Vehikel nicht aus. Deshalb musste "Galileo" zunächst mit so genannten "Swing by"-Manövern an Venus und Erde Schwung holen.

Mit "Swing by"-Manövern auf Jupiter-Kurs

Die dafür nötige Pirouettenbahn führte die Raumsonde auch zweimal durch den Planetoidengürtel zwischen Mars und Jupiter, wo Hunderttausende Felsbrocken auf ellipsenförmigen Bahnen um die Sonne schwirren. Die planetare Schutthalde hatte durch die störende Anziehung des benachbarten Jupiter nie die Chance auf eine Vollmitgliedschaft im Planetenclub: Der Riesenplanet hinderte dort die Brocken, zu einem echten Planeten zusammen zu backen.

"Galileo" passierte zwei kartoffelförmige Exemplare und lieferte erstmals Schnappschüsse ihrer Kraterlandschaften. Der zweite Planetoid, 234 Ida, kam im August 1993 ins Sichtfeld der Bordkameras und präsentierte sich den überraschten Planetologen als Doppel-Asteroid. Auf halbem Weg zum Jupiter hatte "Galileo" den ersten Asteroidenmond entdeckt, einen winzigen Begleiter mit rund 1,5 Kilometern Durchmesser.

"Ein Jahr später, immer noch im Anflug auf Jupiter, konnte 'Galileo' den Einschlag des Kometen Shoemaker-Levy 9 in den Gasriesen beobachten", erinnert sich Krüger, der für "Galileos" Staubdetektor zuständig ist. Während die Astronomen auf der Erde konsterniert erkannten, dass der spektakuläre Kometen-Crash für Teleskopbeobachter unsichtbar auf der erdabgewandten Jupiterseite stattfand, hatte "Galileo" einen Logenplatz für das Spektakel ergattert. Krüger: "Erstmals konnten wir eine solche Kollision direkt beobachten, die Informationen über die Zusammensetzung und den Aufbau der Jupiteratmosphäre lieferte."

Fallschirmsprung in die Jupiter-Hülle

Der umständliche Umweg-Kurs führte schließlich ans Ziel. Im Dezember 1995, nach sechsjähriger Anreise, schwenkte "Galileo" in den Jupiterorbit ein, während eine mitgereiste Eintauchkapsel in die Wolken der sturmgepeitschten Atmosphäre eindrang. An einem Fallschirm hängend funkte sie Messdaten direkt aus der Wetterküche aus Wasserstoff, Helium und Ammoniak, bis sie nach knapp einer Stunde, von der dichten Gashülle verschluckt, verstummte.

Auch der Vulkanmond Io war mehrfach Objekt intensiver Studien. "Mit unserem Staubdetektor konnten wir zeigen, das Ios Vulkane Staubströme produzieren, die sogar weit außerhalb des Jupitersystems nachweisbar sind", erläutert Astrophysiker Krüger. Der innerste der vier großen Jupitermonde gilt als das vulkanisch aktivste Objekt unter der Sonne. Über 30 große Vulkane spucken fast permanent Feuer - riesige Regionen werden durch Magma in kurzer Zeit umgestaltet.

Zwar läuft die Zeit für weitere Entdeckungen nun endgültig ab, doch "Galileo" wird bis zum letzten Moment die Fühler ausstrecken. Noch einmal zwölf Stunden sendet die Sonde die Messwerte der Teilchendetektoren. "Wir durchfliegen einen dünnen Ring aus winzigen Staubteilchen, der sehr nah an Jupiter heranreicht", sagt Krüger. "Die sind so fein wie Zigarettenrauch." Neun Minuten bevor die Sonde verglüht, wird der Radiokontakt für immer verstummen: "Galileo" verschwindet hinter dem Jupiterhorizont. Der finale Flug des Raumschiffes vollzieht sich in der Stille des Alls.

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