Analyse mit Hubble-Teleskop Riesenplanet beim Entstehen beobachtet

So früh in der Entwicklung wurde noch nie ein Gasriese erforscht. Der Protoplanet AB Aur b bringt es schon auf die neunfache Masse des Jupiter – und inspiriert eine neue Theorie zur Geburt von Planeten.
Geburtsstation: Teleskopaufnahme der Scheibe um den jungen Stern AB Aurigae. Der hellgelbe Wirbel nahe der Bildmitte markiert nach Ansicht der Forscher den Punkt, wo ein Planet entsteht.

Geburtsstation: Teleskopaufnahme der Scheibe um den jungen Stern AB Aurigae. Der hellgelbe Wirbel nahe der Bildmitte markiert nach Ansicht der Forscher den Punkt, wo ein Planet entsteht.

Foto: ESO / Boccaletti et al.

Ein Forschungsteam hat einen riesigen Planeten mit etwa der neunfachen Masse des Jupiter entdeckt – und das in einem außerordentlich frühen Stadium der Entwicklung: »noch im Mutterleib«, berichten die Fachleute. Die Entdeckung dürfte das bisherige Verständnis der planetaren Entwicklung auf den Kopf stellen.

Die Forschenden nutzten das Subaru-Teleskop nahe dem Gipfel eines inaktiven hawaiianischen Vulkans und das Weltraumteleskop Hubble, um den Planeten zu finden und zu beobachten. Es handle sich um einen Gasriesen, der seinen jungen Wirtsstern ungewöhnlich weit umkreist, berichten sie. Gasriesen sind Planeten, auf denen Gase um einen kleineren, festen Kern herumwirbeln – so wie bei Jupiter und Saturn, den größten Planeten unseres Sonnensystems, die hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium bestehen.

»Wir denken, dass er noch früh in seinem Geburtsprozess ist«, sagte der Astrophysiker Thayne Currie vom Subaru-Teleskop und vom Nasa-Ames-Research-Center mit Blick auf den neu entdeckten Planeten. Die Daten legten nahe, dass dies das früheste je beobachtete Entwicklungsstadium eines Gasriesen sei. Currie ist Hauptautor der in der Zeitschrift »Nature Astronomy« veröffentlichten Studie .

Fast zu groß für einen Planeten

Nur um einen einzigen anderen Stern herum wurden bislang Planeten während ihrer Entstehungsphase beobachtet, sogenannte Protoplaneten. Der neue Himmelskörper ist in eine ausgedehnte Scheibe aus Gas und Staub gehüllt. Dieses Material, aus dem Planeten gebildet werden, umkreist einen Stern namens AB Aurigae, etwa 508 Lichtjahre (rund 4,8 Billiarden Kilometer) von der Erde entfernt. Ein Bild von AB Aurigae erschien 2021 in einer Szene des Films »Don't Look Up«.

Etwa 5000 Planeten jenseits unseres Sonnensystems, auch Exoplaneten genannt, wurden bislang bestimmt. Der neue, AB Aur b genannt, zählt zu den größten. Er nähert sich der maximalen Größe, um noch als Planet eingestuft zu werden und nicht schon als Brauner Zwerg, einer Zwischenstufe zwischen Planeten und Sternen. AB Aur b wird erhitzt, indem Gas und Staub in den Planetenkern hineinfallen.

Fast alle bekannten Exoplaneten haben eine Umlaufbahn um ihren Stern, die innerhalb der Distanz zwischen unserer Sonne und ihrem entferntesten Planeten Neptun liegt. Doch AB Aur b bricht diese Regel: Er umkreist Ab Aurigae in dreimal so großer Entfernung wie der Neptun die Sonne, 93-mal so weit wie die Erde zur Sonne.

Bisheriges Modell passt nicht

Die Geburt dieses Planeten scheint einem anderen Prozess zu folgen als das Lehrbuchmodell von der Entstehung der Planeten.

»Die herkömmliche Theorie besagt, dass die meisten – wenn nicht alle – Planeten durch das langsame Ansammeln von Feststoffen an einem festen Kern entstehen und dass Gasriesen diese Phase durchlaufen, bevor ihr fester Kern stark genug ist, um mit der Gasbildung zu beginnen«, sagte der Astronom Olivier Guyon vom Subaru-Teleskop und der University of Arizona, ein Co-Autor der Studie.

In diesem Modell würden in der Scheibe um einen jungen Stern enthaltene Protoplaneten allmählich aus staub- bis felsblockgroßen festen Objekten heranwachsen und dann eine Gasmasse anhäufen, wenn dieser Kern ein Vielfaches der Masse der Erde erreicht. »Dieser Prozess kann keine Gasriesen mit weiter Umlaufbahn erzeugen, daher fordert die neue Entdeckung unser Verständnis der Planetenbildung heraus«, sagte Guyon.

»Es gibt mehr als eine Art, ein Ei zu kochen«

Für AB Aur b haben die Forschenden eine neue Theorie. Demnach entstehe der Planet, indem die Scheibe um den Stern sich abkühle und die Schwerkraft sie in einen oder mehrere riesige Klumpen zerlege, die dann Planeten bilden. »Es gibt mehr als eine Art, ein Ei zu kochen«, sagte Astrophysiker Currie. »Und anscheinend gibt es wohl mehr als eine Art, einen jupiterähnlichen Planeten zu bilden.«

Der Stern AB Aurigae ist etwa 2,4-mal mächtiger als unsere Sonne und etwa 60-mal heller. Er ist etwa zwei Millionen Jahre alt, für einen Stern noch ein Kind, verglichen mit der mit 4,5 Milliarden Jahren eher mittelalten Sonne. Die Sonne war zu Beginn ebenfalls von einer Scheibe umgeben, aus der die Erde und die anderen Planeten entstanden sind.

»Neue astronomische Beobachtungen fordern unsere gängigen Theorien ständig heraus und verbessern schließlich unser Verständnis des Universums«, sagte Guyon. »Die Entstehung von Planeten ist sehr komplex und ungeordnet, da warten noch viele Überraschungen auf uns.«

ak/Reuters
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