
Fotostrecke: Der "Gott der Winde" ist gestartet
Satellit "Aeolus" gestartet Der teuerste Windmesser aller Zeiten
Die Winde sind "Aeolus" nicht freundlich gesinnt. Mehr als zehn Jahre hat der kleine europäische Satellit auf den Start warten müssen. Am Dienstag hätte es endlich losgehen sollen - doch dann machten der Mission, mit der Forscher die Windmessung revolutionieren wollen, zu starke Winde einen Strich durch die Rechnung. Ausgerechnet.
Jetzt, einen Tag und unzählige Wind-Scherze später, ist "Aeolus" in den blaugrauen Himmel über dem europäischen Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana gestartet, begleitet von einem ausgesprochen lauen Lüftchen.
Projektmanager Anders Elfving schaut der Rakete im Kontrollzentrum von Kourou lange nach. Und er hat ein großes Versprechen mitgebracht: "Mit unserem Satelliten werden wir das Wetter zwar nicht besser machen, wird werden aber auf jeden Fall für präzisere mittelfristige Vorhersagen sorgen." Denn "Aeolus", die 480 Millionen Euro teure Mission der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, soll als erster Satellit globale Windprofile aus dem Weltall erstellen. Hundertmal in der Stunde, drei Jahre lang. Vor allem aber soll er zeigen, dass so etwas überhaupt möglich ist.
Die Erwartungen sind enorm. "Wind ist ein wichtiger Parameter für all unsere Wettermodelle, doch ausgerechnet Winddaten sind in weiten Teilen der Welt Mangelware", sagt Florence Rabier, Generaldirektorin des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF). Meteorologen behelfen sich folglich damit, Winddaten aus Messungen der Temperatur, des Drucks und der Feuchte abzuleiten.
Vor allem über den Tropen, wo Winde viele meteorologische Phänomene antreiben, gelingt das mehr schlecht als recht. Auch Wetterballone, die beim Aufstieg durch die Atmosphäre Messdaten zur Erde funken und vor allem in den Industriestaaten das Rückgrat der Windbeobachtung bilden, fehlen hier fast vollständig - genauso wie über den Weltmeeren. Das schmerzt: "Die Erde und die Atmosphäre sind ein derart riesiger Ort, dass man nie genug Beobachtungsdaten haben kann, besonders über den Ozeanen", sagt Rabier.
Satelliten sind auch keine Lösung - zumindest bislang nicht. Zwar kommen heutzutage etwa 95 Prozent aller Beobachtungsdaten, die in die globalen Wettermodelle einfließen, aus dem All. Bei den Winden sind die Meteorologen allerdings auf indirekte Messungen angewiesen: Satelliten ermitteln die Höhe und Geschwindigkeit von Wellen, woraus Rückschlüsse auf Oberflächenwinde möglich werden. Und sie beobachten Wolken, was Anhaltspunkte zu Windstärken in der Atmosphäre liefert - allerdings nur, wenn die Höhe der Wolken genau bekannt ist.

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"Aeolus" soll dieses Ratespiel nun beenden - indem er die Laserpistole auspackt: Wie die Ordnungshüter am Straßenrand, die mit einem unsichtbaren Laserstrahl Temposünder aufspüren, wird auch "Aeolus" aus 320 Kilometern Höhe 50-mal pro Sekunde einen ultravioletten Laserpuls auf die Erde abfeuern. Milliarden von Lichtteilchen werden dabei auf die Reise geschickt. Reflektiert von Luftmolekülen und Staubpartikeln kommen ein paar hundert zurück zum Satelliten. Gerade genug, um sie mit einem eineinhalb Meter großen Teleskop einzufangen und an Bord zu analysieren.
Wichtige Folgen für die Wettervorhersage
Denn das Licht ist nicht mehr dasselbe. Trifft es auf ein Luftmolekül, das in Richtung des Satelliten geweht wird, wird das Laserlicht gestaucht. Entfernt sich die Luft vom Satelliten, wird die Wellenlänge gestreckt. "Aeolus" kann aus diesen subtilen Veränderungen - Dopplereffekt genannt - jenen Teil der Geschwindigkeit ermitteln, der in Richtung des Satelliten weist und zwar auf sieben Kilometer pro Stunde genau.
Die Werte verraten zwar nichts über die Windrichtung und die Gesamtgeschwindigkeit. Sie reichen den Meteorologen aber, um damit ihre Modelle zu füttern. Da sich die Pulse zudem mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, deren Wert konstant und sehr genau bekannt ist, ergibt sich aus Zeit, nach der die Lichtteilchen wieder beim Satelliten eintreffen, die Entfernung der vermessenen Luftmoleküle. 150 Windprofile sollen auf diese Weise während eines 90-minütigen Umlaufs entstehen, vom Boden bis in eine Höhe von 30 Kilometern, unterteilt in 24 Blöcke.
Da jeder Ort des Globus allerdings nur alle sieben Tage überflogen wird und der Abstand zwischen zwei Umläufen am Äquator mehr als 2000 Kilometer beträgt, dämpft Elfving allzu große Erwartungen. Die mittelfristige Vorhersage soll "Aeolus" trotzdem besser machen. Wie viel besser? "Es werden keine 50 Prozent sein, eher ein paar Prozent", sagt Florence Rabier. "Aber auch die können, wenn dadurch ein schwerer Sturm vorausgesagt werden kann, wichtige sozioökonomische Folgen haben."
"Bahnbrechend": Josef Aschbacher, Esa-Direktor für Erdbeobachtung, ist niemand, der das Wort inflationär benutzt. Für "Aeolus" macht er allerdings eine Ausnahme. "Die Wissenschaft ist bahnbrechend, die Technologie ist bahnbrechend, die Mission ist bahnbrechend", sagt der gelernte Meteorologe.
Bahnbrechend waren aber vor allem die Verzögerungen. 1999 erdacht und 2002 in Auftrag gegeben, sollte "Aeolus" bereits 2007 starten. Doch die kurzen Laserpulse, die in der Spitze zehn Megawatt erreichen, schwärzten und beschädigten die Oberflächen der Linsen - teilweise bereits nach wenigen Minuten. Und immer, wenn Elfving und seine Kollegen dachten, eine Lösung des Problems gefunden zu haben, tauchten neue Schwierigkeiten auf. Nun fliegt die vierte Generation der Technologie: Sie ist ausgestattet mit extrem glatten Linsen und einem konstanten Sauerstoffstrom, der Verschmutzungen verbrennen wird, bevor der Laser sie in Ruß verwandelt.
Drei Jahre lang soll "Aeolus" durchhalten und zeigen, ob er wie geplant die Wettervorhersage verbessern wird. Gelingt das, könne man über eine operationelle Mission nachdenken, die wohl aus mehreren Satelliten bestehen müsse, sagt Josef Aschbacher. Aber erst dann.
Jetzt soll "Aeolus" nach so langer Zeit des Wartens erst einmal beweisen, dass er tatschlich so bahnbrechend ist. Immerhin: 320 Kilometer über der Erde stören dabei zumindest keine ungünstigen Winde mehr.