
Phoebe-Ring: Gigantische Ausmaße
Astronomie Äußerster Saturn-Ring deutlich größer als gedacht
Könnten unsere Augen Infrarotlicht wahrnehmen, der Saturn sähe völlig anders aus: Seine Ringe wären dann nämlich viel größer. Das liegt am äußersten Ring, den das Weltraum-Teleskop "Spitzer" erst vor wenigen Jahren entdeckt hat. Von der Erde würde das gewaltige Gebilde aus Staub mindestens doppelt so groß erscheinen wie der Vollmond.
Forscher der University of Maryland haben nun den bislang am wenigsten erforschten Ring eingehen analysiert. Die wichtigste Erkenntnis: Er ist etwa 20 Prozent größer als bislang bekannt. Der Ring erstreckt sich weit ins Weltall, er ist mehr als 500-mal größer als Saturn selbst und übertrifft mehrfach Saturns E-Ring, das zweitgrößte Exemplar im Ringsystem.
Der Neuzugang im Ringsystem heißt Phoebe-Ring, benannt nach dem gleichnamigen äußeren Mond. Der 220-Kilometer-Brocken zieht genau in dieser Region seine Runden. Auch die Zusammensetzung des rätselhaften Riesenrings haben die Forscher ergründet: Er bestehe hauptsächlich aus Staub, schreiben Douglas Hamilton und seine Kollegen im Fachblatt "Nature". Felsbrocken von Fußallformat oder größer seien selten. Die inneren Ringe hingegen bestehen vor allem aus Eisbrocken. Für ihre Analyse nutzten die Forscher Daten des US-Satelliten "Wise" ("Wide-Field Infrared Survey Explorer").
Was machen diese Henkel da?
Dass Saturn irgendwie besonders ist, erkannte bereits 1610 Galileo Galilei. Bei rund 20-facher Vergrößerung staunte er über den seltsamen Anblick in seinem selbst gebastelten Fernrohr: Zuerst erschien ihm Saturn nicht als einzelner Himmelskörper, sondern machte vielmehr den Eindruck, aus drei Komponenten zu bestehen. Dann fand Galilei dem Planeten links und rechts zwei Henkel angeheftet. 1612 notierte der Gelehrte verwundert, dass diese spurlos verschwunden waren. Zeitlebens blieb Galileo die Ringnatur des mysteriösen Objektes verschlossen.
Erst der Niederländer Christiaan Huygens berichtete 1655 von einem "flachen, dünnen Ring, der Saturn an keiner Stelle berühre". Huygens lag richtig, das Ringsystem ist tatsächlich sehr dünn. Und das mysteriöse Verschwinden hatte einen einfachen Grund: 1612 schaute man von der Erde aus genau auf die Ringkante. Da die Dicke des Rings jedoch kaum hundert Meter misst, ist er viel zu dünn, um aus dieser großen Entfernung sichtbar zu sein. Eine Schallplatte mit dem gleichen Verhältnis von Durchmesser und Dicke wäre kaum ein Zehntausendstelmillimeter hoch.
Außengrenze des Saturnsystems
Bereits zu Huygens' Zeit erkannte man, dass der Ring aus mehreren Komponenten besteht. Heute, nachdem vier Raumsonden den Saturn erreicht haben, ist klar, dass es sich um Tausende individueller Einzelringe handelt, sie bestehen überwiegend aus Eis. Darin kreisen die Ringteilchen wie winzige Monde. Doch anders als friedlich kreisende Trabanten stoßen die Ringpartikel ständig zusammen - die Rempelei passiert Dutzende Mal pro Umlauf.
Astronomen vermuten, dass der Phoebe-Ring durch aufgewirbeltes Material vom Phoebe-Mond gespeist wird. Eine ähnlich innige Beziehung pflegen der E-Ring und der weiter innen kreisende Mond Enceladus. Wie die restlichen Ringe entstanden, ist allerdings noch immer rätselhaft. Im Wesentlichen konkurrieren zwei Theorien:
Einerseits könnten sie Relikte aus der Urzeit des Sonnensystems sein, als sich Saturn zu einem Planeten zusammenfügte. Nach dieser These verhinderten damals die starken Saturn-Gezeiten und die häufigen gegenseitigen Kollisionen der Ringteilchen das Zusammenbacken zu einem Mond.
Entstanden bei Mondcrash?
Andere Forscher führen Katastrophentheorien ins Feld: Die bekannteste stammt vom Astronomen und Mathematiker Édouard Roche (1820 bis 1883). Der Franzose stellte sich einen Mond vor, der dem Saturn zu nahe kam und von dessen Gezeitenkräften zerrissen wurde. Seine Trümmer verteilten sich entlang der Umlaufbahn - voilà, die Saturn-Ringe waren geboren.
Um etwas Ordnung in die Vielfalt der Ringe zu bringen, werden sie zu Hauptringen zusammengefasst, die von außen nach innen A-, B-, C- und D-Ring heißen. Diese vier wurden allesamt im Teleskop aufgespürt. Auffällig sind die verschieden weiten Lücken, die benachbarte Monde bewirken. Außerhalb des A-Rings entdeckte 1979 die Nasa-Sonde Pioneer 11 die schmalen F- und G-Ringe. Der nur durch starke Überbelichtung nachweisbare D-Ring ist am weitesten innen, er beginnt schon 6700 Kilometer über der obersten Wolkendecke Saturns. Hingegen reicht bereits der ausgedehnte E-Ring weit nach außen, bis zum großen Mond Titan. Und der Phoebe-Ring bildet die Außengrenze des Reichs der Ringe.