Katie Bouman
Ohne diese Frau gäbe es kein Foto vom schwarzen Loch
Die junge Informatikerin Katie Bouman half, die historische Aufnahme eines schwarzen Lochs möglich zu machen. Besonders schwer fiel es ihr, das Geheimnis so lange zu bewahren: "Ich habe nicht einmal meiner Familie davon erzählt."
Katie Bouman: "Es war wirklich schwer, den Mund zu halten"
Foto: California Institute of Technology
Als sich das Bild auf ihrem Laptop aufbaute, presste Katie Bouman vor Freude ihre gekreuzten Hände vor den Mund. Das erste Foto eines schwarzen Lochs - und sie hatte geholfen, es zu machen. Boumans Arbeit der vergangenen Jahre hatte sich gelohnt, der Algorithmus, den sie mit entwickelt hatte, funktionierte.
Acht Radioteleskope auf vier Kontinenten waren nötig, um ein Bild des schwarzen Lochs in der Galaxie Messier 87 zu erzeugen. Wäre ein menschliches Auge so leistungsfähig wie das Event Horizon Telescope (EHT), könnte jemand über den Atlantik hinweg Zeitung lesen. Das Problem: Die gesammelten Daten waren immens und füllten mehrere Festplatten. Sie online zu verschicken, wäre undenkbar gewesen.
Dank Boumans Algorithmus konnten die Forscher das Bild des schwarzen Lochs errechnen
Foto: EHT Collaboration
Aus all diesen Informationen mussten diejenigen herausgefiltert werden, die ein zusammenhängendes Bild des schwarzen Lochs ergeben. Und genau dafür sorgte auch die promovierte Computer-Wissenschaftlerin Bouman.
Die 29-Jährige hatte am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Entwicklung des Algorithmus CHIRP geleitet, der Daten von Teleskopen zusammensetzen konnte. Dieser wurde zwar nicht benutzt, um das aktuelle Bild zu erzeugen, aber Bouman hatte bei der Entwicklung eines weiteren Algorithmus mitgewirkt, der einen entscheidenden Durchbruch brachte.
"Keine Person allein hat das Bild gemacht"
Bereits im vergangenen Sommer spuckte das System ein erstes Bild des Massefressers aus, der gut 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Bouman hatte sich damals mit drei weiteren Forschern in einem kleinen Raum der Harvard University verschanzt, damit ja niemand das Bild zu sehen bekam. "Es war wirklich schwer, den Mund zu halten", sagte Bouman zum "Time-Magazine". "Ich habe nicht einmal meiner Familie davon erzählt."
Dieses Foto zeigt den Moment, als Bouman begreift, dass das System funktioniert:
Das Bild ging um die Welt. In sozialen Netzwerken wird sie mittlerweile als die Frau hinter dem historischen Bild gefeiert. Tatsächlich arbeiteten allein am Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik 200 Wissenschaftler an dem Projekt, wie auch Bouman selbst betont: "Kein einzelner Algorithmus oder eine Person allein hat das Bild gemacht. Es brauchte das unglaubliche Talent eines Teams von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt und Jahre harter Arbeit", schreibt Bouman bei Facebook.
Foto: NASA/JPL-Caltech
Fotostrecke
Schwarzes Loch: Abschied von der Fantasie
In dem Forschungsteam waren auch andere Frauen, aber die Männer waren deutlich in der Überzahl. Auch in Deutschland liegt der Anteil von Frauen in der Forschung nur bei etwa 30 Prozent. Studien zeigen zudem, dass Wissenschaftlerinnen deutlich seltener zitiert werden als ihre männlichen Kollegen.
Auch das MIT weist auf die wissenschaftliche Leistung von Frauen hin. Ein Tweet zeigt links Bouman mit den Festplatten voller Daten zum schwarzen Loch. Rechts zu sehen ist Margaret Hamilton, deren Software bemannte Raumflüge zum Mond möglich machte.
Als sie anfing, an dem Projekt zu arbeiten, wusste Bouman nur wenig über schwarze Löcher. Ihr Spezialgebiet ist die Bildgebung mithilfe von Computersystemen. "Das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße darzustellen, ist in etwa so, als würde man versuchen, eine Grapefruit auf dem Mond zu erkennen", sagte Bouman 2016 über ihr Projekt. "Um so etwas darzustellen, wäre ein Teleskop mit einem Durchmesser von 10.000 Kilometern nötig, was nicht möglich ist, weil der Durchmesser der Erde nicht einmal 13.000 Kilometer misst."
Deshalb mussten beim EHT-Projekt auch acht Teleskope zusammengeschaltet werden. Die Algorithmen filterten aus der Masse der Daten diejenigen, die ein zusammenhängendes Bild ergaben.
Dieses mussten die Forscher aber erst mal für das menschliche Auge übersetzen. Denn die Teleskope fingen Radiowellen ein, die Menschen nicht sehen können. "Radiowellen bringen viele Vorteile", erklärt Bouman. "Sie können Mauern ebenso durchdringen wie galaktischen Staub. Wir wären niemals in der Lage, ins Zentrum unserer Galaxie zu sehen, weil zu viel Zeugs dazwischen liegt." Die Radiowellen mussten deshalb für das Bild in Rot dargestellt werden.
Das Forschungsteam will nun sogar Videos von schwarzen Löchern machen. "So lange man begeistert ist und motiviert ist zu arbeiten", sagt Bouman, "sollte niemand das Gefühl haben, es nicht schaffen zu können."
Im Video: Schwarze Löcher - Eine Zeitreise ins Universum
ZDF Enterprises
Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Textes hieß es, der von Katie Bouman entwickelte Algorithmus CHIRP sei zur Erzeugung des ersten Bildes eines schwarzen Lochs verwendet worden. Tatsächlich hatte Bouman an der Entwicklung weiterer Programme mitgearbeitet, die die Bildgebung möglich machten. Wir haben den Fehler korrigiert.
12 BilderSchwarzes Loch: Abschied von der Fantasie
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Jahrzehntelang war bei der Darstellung von schwarzen Löchern Fantasie gefragt. Weil es keine richtigen Fotos gab, versuchten Illustratoren, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu bebildern. Das Ergebnis waren oft beeindruckende Grafiken. Sie mögen zwar mit der Realität wenig gemein haben, sahen aber wunderschön aus. Das muss jetzt nicht mehr sein: Am Mittwoch haben Forscher erstmals ein echtes Bild von einem schwarzen Loch präsentiert. Wir verabschieden uns mit dieser Bildergalerie von den schönsten Nachbildungen.
Foto: NASA/JPL-Caltech
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Schwarzes Loch im Original: Mit acht Teleskopen gleichzeitig haben Forscher für das menschliche Auge unsichtbare Radiowellen eingefangen. Damit wir trotzdem etwas erkennen können, sind die Strahlen im Bild rot dargestellt. Dass die Abbildung das Ende für alle Symbolbilder von schwarzen Löchern bedeutet, ist bei dem Anblick allerdings fraglich.
Foto: EHT Collaboration
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Die Anziehungskraft von schwarzen Löchern ist so groß, dass sie sogar Licht verschlucken. Der Name ist deshalb Programm: Das schwarze Loch an sich kann man nicht sehen, es ist schwarz. Drum herum kreisen aber Teilchen, die durch extreme Reibung stark erhitzt werden und leuchten. Sie machen das schwarze Loch in der Mitte sichtbar und werden auch als sein Schatten bezeichnet.
Foto: ESO/ dpa
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Unsere Bildredakteurin wollte Ihnen auch das Innere eines schwarzen Lochs nicht vorenthalten, wie gesagt, es ist, nun ja, schwarz.
Foto: SPIEGEL ONLINE
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In schwarzen Löchern ist auf extrem kleinem Raum eine gewaltige Masse gebündelt. Wäre die Erde ein schwarzes Loch, hätte sie die Größe einer Kirsche.
Foto: NASA/ JPL-Caltech
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Wenn man alles Licht, das es um ein schwarzes Loch herum gibt, einfangen könnte, sähe es dort vielleicht so aus - oder eher nicht?
Foto: NASA/ ESA/ STSCI
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Manche Leser haben uns darauf hingewiesen, dass es auch auf der Erde schwarze Löcher gebe, etwa das Finanzamt. Aber das ist ein anderes Thema.
Foto: DPA/ ESO
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Klar abgegrenzt. Dieses Bild soll das schwarze Loch in der Galaxie M60-UCD1 zeigen. Fast jede Galaxie hat in ihrer Mitte ein schwarzes Loch.
Foto: AFP/ / NASA/ ESA/ HUBBLE/ D. Coe/ G. Bacon (STScI)
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Eins haben alle Bilder gemeinsam: Um einen zentralen Punkt kreisen Teilchenwirbel.
Foto: Mark A. Garlick/ DPA
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Hier hat der Künstler seiner Fantasie sehr großen Freiraum gelassen.
Foto: Riccardo Lanfranchi/ DPA
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Motiv in gold-braun: Dass es bislang kein echtes Bild von einem schwarzen Loch gab, liegt zum einen daran, dass schwarze Löcher sehr weit von der Erde entfernt sind. Zum anderen verdecken häufig Teilchennebel die Sicht.
Foto: Richard Geoffrey/ EyeEm/ Getty Images
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Hier hat sich ein Künstler vorgestellt, wie es wohl aussehen könnte, wenn zwei schwarze Löcher umeinander kreisen.
Foto: MARK GARLICK/ Science Photo Library/ Getty Images