Shuttle-Rivale Europäer und Russen bauen eigene Raumfähre
Wiesbaden - Jahrelang haben die Raumfahrtagenturen Europas und Russland an Plänen für eigene Raumfähren herumgedoktert, doch umgesetzt wurden sie nie. Sowohl das "Hermes"-Raumschiff der Esa als auch die russische "Buran" konnten die Alleinstellung des amerikanischen Space Shuttles nicht gefährden.
Jetzt aber wollen die Esa und die russische Weltraumagentur Roskosmus Ernst machen. Die Organisationen haben sich darauf verständigt, gemeinsam einen Raumgleiter zu entwickeln. Das Raumschiff mit Namen "Clipper" soll 2011 oder 2012 seinen Jungfernflug absolvieren.
"Die angestrebte Kooperation wird zu einer gemeinsamen Entwicklung und Finanzierung von 'Clipper' führen", erklärte Manuel Valls, Leiter der Abteilung Raumfahrtstrategie des Direktorats für bemannte Raumfahrt bei der Esa. Nach seinen Worten sieht das bisherige Konzept vor, einen Raumgleiter zu bauen, der bis zu sechs Astronauten an Bord nehmen könnte.
Überschaubare Kapazität
Der "Clipper" soll zudem in der Lage sein, bis zu 700 Kilogramm Nutzlast ins All beziehungsweise 500 Kilogramm Material aus dem Weltraum zur Erde zu bringen. Im Vergleich zum Nasa-Shuttle wäre das allerdings eher wenig: Die US-Raumfähren haben eine Nutzlast-Kapazität von bis zu 29,5 Tonnen und können beim Start bis zu 111 Tonnen wiegen.
"Beide Agenturen sind übereingekommen, in den nächsten beiden Jahren einen detaillierten Arbeitsplan aufzustellen, der die verschiedenen Aspekte der Kooperation abdecken soll", sagte Valls. Der neue Raumgleiter soll so konstruiert werden, dass er sowohl vom russischen Raumfahrtbahnhof Baikonur in Kasachstan als auch von Kourou in Französisch Guayana aus starten kann.
"Clipper wird ein neues, modular aufgebautes und in Teilen wieder verwendbares Raumschiff sein", erklärte der Esa-Manager. Die europäische Raumfahrtagentur macht bislang keine Angaben zu den Kosten. Nach russischen Medienberichten werden die Entwicklungskosten auf zehn Milliarden Rubel geschätzt, umgerechnet 290 Millionen Euro. Dazu kämen Aufwendungen für die Entwicklung einer Trägerrakete.
Shuttlepläne schon in den achtziger Jahren
In russischen Fachmedien wird das Startgewicht des neuen Raumgleiters mit 13 bis 14,5 Tonnen angegeben. Dies würde selbst die Kapazität der stärksten Ariane-5-Version übersteigen. Russische Raketentechniker arbeiten allerdings offenbar bereits an einer verbesserten Sojus-Rakete mit Namen Onega, die als Trägersystem in Frage kommen soll. Welchen Anteil der Kosten die europäische Raumfahrtagentur übernehmen wird, ist derzeit offen. Es werde eine gerechte Lastenverteilung geben, erklärte Valls.
In den achtziger Jahren haben sowohl die Esa als auch die sowjetische Raumfahrt bereits an Shuttle-Programmen gearbeitet. Die Sowjets entwickelten damals die Raumfähre "Buran" ("Schneesturm"), die dem Space Shuttle der Nasa verblüffend ähnlich sah. Parallel dazu plante die Esa ab 1987 den Bau des Raumgleiters "Hermes".
Beide Projekte wurden auf Grund von Geldmangel nie realisiert, abgesehen von einem unbemannten Testflug der "Buran" im Jahr 1988. Wie Valls erläutert, wird "Clipper" technisch nicht an seine beiden Vorläufer anknüpfen.
Guido Rijkhoek, AP