
Trumps Agenda fürs All: Im neuen (alten) Weltraumbahnhof
Gründung der Space Force Trumps Sternenkrieger
Klar, Dexter Walker würde auch selbst gern mal ins All. "Aber nur kurz, um es auszuprobieren", sagt der Leutnant der Air Force. "Sonst ist mir das zu einsam. Ich bin nicht gerne alleine oder weit weg von meiner Familie."
Walker, 26, blinzelt in die Nacht. Drüben auf der Halbinsel ist die angestrahlte Startrampe zu sehen mit der Rakete, die gleich zweieinhalb Tonnen Fracht zur Internationalen Raumstation (ISS) befördern soll: Labormaterial, Geräte, Gewebeproben für Experimente.
Cape Canaveral, 3. Mai 2019, 2.30 Uhr: Der Countdown läuft. "So weit keine Probleme", sagt Walker. Die steife Brise zerrt an seiner Tarnuniform.
Die Rakete gehört SpaceX, der Privatfirma des Tesla-Milliardärs Elon Musk. SpaceX wiederum wurde von der US-Weltraumbehörde Nasa angeheuert, um die ISS zu versorgen - die jüngste Etappe in der boomenden Kooperation zwischen der Nasa und der Privatwirtschaft.
Diese Kooperation hat aber auch noch eine militärische Komponente: Der SpaceX-Start und die Rampe selbst, der altgediente Launch Complex 40, der schon 1965 für die Titan-Raketen entstand, werden seit jeher von der Air Force gemanagt - und von Soldaten wie Leutnant Walker.
Trump schafft mit der Space Force die fünfte Waffengattung der US-Streitkräfte
Jeder Start hier ist nicht nur ein weiterer Schritt im kommerziellen Wettrennen ins All, sondern immer mehr auch ein Test für den militärischen Ernstfall. Denn um Amerikas Vormacht im All zurückzuerobern, plant Präsident Donald Trump mit privater Hilfe wieder Astronauten zum Mond zu schicken und parallel eine Space Force aufzustellen, als fünfte US-Waffengattung.
Es begann, wie so oft, als fixe Idee, als Nebensatz in einer Rede Trumps: "... und vielleicht werden wir bald auch eine Space Force haben." Inzwischen ist das aber konkret geworden: Bis 2020 soll die neue Truppe stehen, um - vorerst mit Satelliten und Abwehrwaffen - US-Einsätze auf der Erde zu unterstützen und sich gegen Angriffe zu wappnen.
Dazu sollen zunächst alle bisherigen Weltraumaktivitäten des US-Militär gebündelt werden. Denn die Idee einer Space Force keimt ja schon lange - hier in Florida, wo eine solche Weltraumarmee womöglich auch ihren terrestrischen Sitz hätte.
Seit Jahrzehnten steht der 45th Space Wing in Cape Canaveral, eine Einheit der US-Luftwaffe, an zwei Fronten: Sie flankiert alle Nasa-Missionen und probt zugleich für die kommenden "Star Wars". Nun rücken Amerikas Space-Kadetten aus dem Hintergrund in den Mittelpunkt - dank Trump und privaten Himmelsstürmern wie Musk und Amazon-Chef Jeff Bezos.
Zum Beispiel Leutnant Walker. Als Space Operations Officer ist der mitverantwortlich für den reibungslosen Ablauf aller Starts in Cape Canaveral - ob für die Nasa, für kommerzielle Aufträge oder für die Positionierung von Militärsatelliten. Sein Team gibt alle Raketen und Rampen zum Einsatz frei, prüft das Wetter und überwacht die Daten der Launch-Sequenzen.
Militärs, Privatunternehmer und Wissenschaftler eint das Ziel, den Zugang zum Weltraum zu sichern
SpaceX-Launch CRS-17 ist Walkers 17. Raketenstart, seit er seinen Job hier 2016 antrat. Die bisherigen verfolgte er in einem Bunker am anderen Ende der Halbinsel mit, diesen erlebt er erstmals draußen, an einer Uferböschung gegenüber von Rampe 40. "Der Wind stört uns nicht", sagt er. "Problematischer sind die Gewitter." Er schielt aufs Wasser. "Und manchmal die Alligatoren."
Brigadegeneral Doug Schiess, der Kommandeur des 45th Space Wings, vermeidet zwar konkrete Antworten zu Trumps Space-Force-Plänen. Er betont jedoch gern die gemeinsame Agenda fürs All, die Militärs, Privatunternehmer und die Nasa vereint: "Unsere Mission ist es, den Zugang zum Weltraum zu sichern, für Frontkämpfer wie für die ganze Nation", sagt Schiess, der früher Interkontinentalraketen in North Dakota bewachte.
Diese doppelte Mission verfolgen sie seit den Fünfzigerjahren. Hier auf der Cape Canaveral Air Force Station und später auch auf dem Nachbarareal des Kennedy Space Centers testeten sie die ersten US-Langstreckenwaffen und unterstützten parallel die zivilen Programme - der erste Mann im Weltraum, die Mondlandung, die Spaceshuttles.
1960 startete hier fast jeden Tag eine Rakete. Soweit sind sie heute zwar noch nicht wieder, dieses Jahr sind 28 Launches vorgesehen. Doch Schiess hat es sich zum Ziel gesetzt, auf einen Start pro Woche zu kommen: "Die Kontrolle des Schlachtfelds beginnt bei uns."
Bevor es die Nasa gab, sollte die Air Force das All im Alleingang erschließen. Bereits 1957 begannen sie in Cape Canaveral das Projekt "Dyna-Soar" - ein Zwitter aus Rakete und Spaceshuttle für militärische Einsätze, den der Kongress dann aber aus Kostengründen zugunsten der Nasa-Programme stornierte. Die ersten "Dyna-Soar"-Testastronauten waren Air-Force-Piloten - allen voran Neil Armstrong.
Die Relikte dieser Space-Force-Vorläufer lagern heute in zwei Hangars auf der Air Force Station - ein V-2-Raketenantrieb von 1950, eine Gemini-Kapsel von 1965, eine Computerkonsole von 1988. Draußen wuchert Unkraut über die ausrangierten Betonrampen. Die Schienen, auf denen die Raketen einst zum Start rollten, rosten in der Seeluft.
Was früher die Nasa machte, übernehmen nun Privatkonzerne
Doch dazwischen ragen nun wieder die neuen Gerüste der von SpaceX und der United Launch Alliance (ULA), einem Zusammenschluss von Boeing und Lockheed Martin geleasten Startrampen empor. Überall sieht man Bauarbeiter, die die alten, hölzernen Strommasten mit neuen aus Stahl ersetzen.
"Wir bereiten uns auf die großen Starts vor", sagt Oberstleutnant Michael Thompson, der Kommandeur des Hochsee-Bergungsteams des 45th Space Wings. Gerade ist er mit seiner Crew von einer Übung im Atlantik zurückgekehrt. Dabei setzten sie eine SpaceX-Kapsel mit zwei Astronauten im Meer aus, warfen Schlauchboote aus einem Flugzeug, sprangen an Fallschirmen hinterher und spielten die Rettung durch.
Früher waren diese heldenhaften Air-Force-Bergungsteams für Nasa-Astronauten zuständig, heute trainieren sie mit SpaceX, ULA und Blue Origin, der Firma von Bezos, deren himmelblaue Halle am Horizont schimmert. "Bald werden wir wieder zum Mond und zum Mars fliegen", freut sich Thompsons Kollege, der Bergungspilot Dave Mahan.
Und wann kommt die Space Force? "Da muss ich sehr vorsichtig sein", sagt auch Mahan, bevor er dann gar nicht antwortet. Politik ist ein sensibles Thema für die Soldaten.
Auf Trumps Dekret folgte bis heute: nicht viel
Zumal Trumps Pläne immer noch diffus bleiben. Im Dezember stieß er zwar die Gründung einer Space Force per Dekret an. Doch wie alle Dekrete entpuppt sich auch dieses als einfacher gesagt als getan. Fest steht bisher nur, dass ihr Kommandeur aus der Air Force kommen soll.
Die zivilen Projekte erleiden zudem immer wieder Rückschläge. Die ersten bemannten Weltraumflüge seit dem 2011 begrabenen Spaceshuttle-Programm sollten eigentlich noch dieses Jahr starten, doch das wird wohl nicht mehr klappen. SpaceX verlor im April eine Kapsel bei einer Explosion, Boeing musste die Tests seiner Starliner-Kapsel verschieben, und Blue Origin hat noch gar keinen Zeitplan.
Bis dahin stehen die Soldaten des 45th Space Wings in Cape Canaveral geduldig Wache und trainieren weiter. Auch Launch CRS-17, für den sich Leutnant Walker die Nacht um die Ohren schlägt, ist schon dreimal verschoben worden.

Trumps Agenda fürs All: Im neuen (alten) Weltraumbahnhof
Wenige Minuten vor 3 Uhr wird der Countdown erneut angehalten. Schuld ist diesmal ein elektrisches Problem mit dem ferngesteuerten Dronenschiff, auf dem die wiederverwertbaren Booster anschließend landen sollen. "Tut mir leid", sagt Walker. "Hoffen wir auf morgen."
Das Weltall muss warten, zumindest heute.