42.000 Satelliten geplant Darf Elon Musk den Nachthimmel verschandeln?

Auch den letzten Winkel der Erde mit Internet zu versorgen - das plant unter anderem der US-Konzern SpaceX. Die Firma von Elon Musk will die Zahl der dafür geplanten Satelliten nun massiv aufstocken. Astronomen sind genervt.
Eine Falcon 9 von SpaceX hat im Frühjahr die ersten 60 Satelliten für die Starlink-Konstellation ins All gebracht

Eine Falcon 9 von SpaceX hat im Frühjahr die ersten 60 Satelliten für die Starlink-Konstellation ins All gebracht

Foto: John Raoux/ AP/ DPA

Als Radioastronom befasst sich Heino Falcke mit den fürs Auge unsichtbaren Phänomenen des Universums. Er ist einer der entscheidenden Köpfe hinter dem ersten Bild eines Schwarzen Lochs, das Forscher eines weltweiten Teleskopverbunds im Frühjahr präsentieren konnten. (Sehen Sie hier ein ausführliches Video zum Thema.) Radiowellen haben eine viel größere Wellenlänge als sichtbares Licht, intergalaktische Staub- und Nebelwolken machen ihnen auf ihrem Weg durchs All nichts aus.

Weil Falcke also nicht im Bereich des sichtbaren Lichts beobachtet, könnte er eine Entwicklung ganz entspannt sehen, die den Nachthimmel über unseren Köpfen für immer verändern wird: Mehrere Konzerne wollen zahllose Satelliten ins All schießen, die einen weltweiten Zugang zum Internet ermöglichen sollen. Mindestens ein Teil von ihnen dürften als neue, künstliche Sterne über das Firmament ziehen.

Für besonders viel Aufsehen sorgt derzeit das US-Unternehmen SpaceX von Elon Musk mit seiner Starlink-Konstellation - auch, weil die Firma offenbar noch deutlich mehr Satelliten ins All bringen will als bisher bekannt.

Und zwar 30.000 zusätzliche Satelliten.

Rechnet man die bereits angekündigten hinzu, käme SpaceX damit sogar auf mehr als 40.000. Das wären fünf Mal so viele Raumfahrzeuge wie die Menschheit bisher insgesamt ins All geschossen hat. Aktuell in Betrieb sind nach einer Statistik  der Union of Concerned Scientists genau 2062 Satelliten.

"Das geht einfach zu weit", beklagt sich Astronom Falcke im Gespräch mit dem SPIEGEL. Es gehe ihm dabei allerdings weniger um die wissenschaftlichen als um die ästhetischen Folgen des SpaceX-Großprojekts. "Durch Lichtverschmutzung sehen wir den Himmel schon in den Städten nicht mehr. Dann möchte ich ihn wenigstens noch in der freien Natur bewundern." Doch das machten die Mega-Konstellationen unmöglich. Neben SpaceX haben auch andere Unternehmen wie OneWeb oder Amazon eigene Satellitenflotten fürs Internet aus dem All in Vorbereitung.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Um die Dimension des Problems zu verstehen, macht Falcke eine Rechnung auf: Der gesamte Himmel, so erklärt er, lasse sich in 40.000 kleine Flächen unterteilen, jede ein sogenanntes Quadratgrad groß. In solch ein Quadratgrad passe der Mond vier Mal hinein. Bei allein mehr als 40.000 SpaceX-Satelliten wäre also in jedem dieser kleinen Himmelsbereiche ein potentieller neuer Stern unterwegs.

Längst nicht alle der Satelliten werden zu allen Zeiten am Himmel sichtbar sein. Trotzdem zur Einordnung: In einer Sommernacht sind aktuell etwa 450 Sterne am Himmel zu bestaunen. Selbst wenn nur ein winziger Bruchteil der Starlink-Satelliten das Sonnenlicht reflektiert, würde sich das nächtliche Bild über unseren Köpfen grundlegend verändern.

Die Internationale Astronomische Union hat sich in einem Statement  "besorgt" über die geplanten Mega-Konstellationen gezeigt. Und das war vor den neuen Plänen von SpaceX. "Amateurastronomen sind stärker betroffen als die Profis", sagt Carolin Liefke von der Vereinigung der Sternenfreunde nach der neuen Ankündigung. Wer Fotos vom Himmel mache, riskiere, dass diese nur noch von den Streifen der Satelliten verschandelt seien. Es gebe Software, um die Spuren zu entfernen - das erhöhe aber wieder den Aufwand bei der Beobachtung.

Beinahe-Kollision im September

Etwa ein Zehntel der 60 im Mai von SpaceX gestarteten Internetsatelliten habe sich im All als nicht steuerbar erwiesen, beklagt Liefke. Von diesen taumelnden Exemplaren ginge die größte Störung für die Himmelsbeobachter aus. Außerdem drohe bei Kollisionen mit anderen Flugkörpern neuer Weltraumschrott. Tatsächlich hatte Anfang September nur ein eiliges Korrekturmanöver im Europäischen Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt dafür gesorgt, dass es nicht zum Zusammenstoß  zwischen einem Starlink-Satelliten und dem Esa-Observatorium "Aeolus" kam.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dass Elon Musk allerdings in absehbarer Zeit überhaupt die 40.000 Satelliten starten kann, zieht Liefke in Zweifel: "Ich halte das auch für eine Marketingstrategie." SpaceX wolle nicht zuletzt Umlaufbahnen und Sendefrequenzen reservieren, "um damit letztlich auch die Konkurrenz einzuschränken".

SpaceX hat den Start der zusätzlichen Satelliten bei der zuständigen US-Behörde, der Federal Communications Commission (FCC) beantragt. Und die wiederum hat am 7. Oktober die Unterlagen an die Internationale Fernmeldeunion (ITU) weitergeleitet, eine Uno-Behörde, die sich auf internationaler Ebene darum kümmert, dass sich Satelliten nicht gegenseitig stören.

Innerhalb von sieben Jahren ins All

Konkret hat die FCC laut "Space News"  20 Pakete von je 1500 SpaceX-Satelliten am Genfer Hauptsitz der ITU angemeldet, die sich in Orbits zwischen 328 und 580 Kilometern Höhe um die Erde bewegen sollen und auf verschiedenen Frequenzen funken. Wann die Satelliten gestartet werden sollen, steht in den Unterlagen nicht.

Die Anmeldung ist ein normaler Teil im Weltraumgeschäft. Nach den aktuellen Regeln der ITU muss ein Betreiber innerhalb von sieben Jahren zumindest einen Satelliten ins All bringen, für den er eine bestimmte Frequenz beantragt hat. Dann darf diese niemand anders nutzen. Einmal im Orbit muss die Technik allerdings für mindestens 90 Tage funktionieren, sonst verfällt die Registrierung bei der Behörde. Die Regeln sollen bald verschärft werden - auch im Hinblick auf die geplanten Internet-Satellitenkonstellationen .

Aus Sicht von SpaceX gibt es einen einfachen Grund, die Zahl der geplanten Internetsatelliten so drastisch zu erhöhen. Ein Firmensprecher erklärte, die Kunden bräuchten einfach mehr Netzwerkkapazität und Datendichte für ein verlässliches Internet rund um die Welt. "Vor allem für diejenigen, wo es keine Konnektivität gibt, wo sie zu teuer oder unzuverlässig ist." Denn klar ist: Während ein geplanter Transportservice der Firma zu Mond und Mars sich erst als profitabel erweisen muss, lässt sich im Internetgeschäft langfristig womöglich viel Geld verdienen.


Zusammengefasst: SpaceX will seine geplante Konstellation von Internetsatelliten deutlich aufstocken. Statt 12.000 Satelliten will das Unternehmen von Elon Musk nun 42.000 starten. Entsprechende Unterlagen hat die zuständige US-Behörde bei den Vereinten Nationen eingereicht. Aktuell haben alle Staaten der Welt zusammen gut 2000 aktive Satelliten im All. Astronomen sehen die Pläne von SpaceX kritisch. Sie fürchten, dass das Bild des Nachthimmels zu stark verändert wird. Außerdem planen auch andere Firmen große Satellitenflotten zur weltweiten Internetversorgung.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten