Ausnahme-Physiker Hawkings fünf größte Erkenntnisse

Stephen Hawking bei einer Konferenz 2008
Foto: Stefan Zaklin/ dpaDer britische Astrophysiker Stephen Hawking gehört zu den größten Wissenschaftlern aller Zeiten. Den Nobelpreis aber bekam er nie - weil es dafür experimenteller Nachweise bedarf. Hawkings Arbeit hingegen beruhte auf Theorien, Mathematik, der Kraft seiner Gedanken. Dabei widmete sich der Astrophysiker vor allem Schwarzen Löchern und der Kosmologie, dem Ursprung unseres Universums. Seine bedeutendsten Erkenntnisse und Durchbrüche:
Schwarze Löcher

Schwarzes Loch (Illustration)
Foto: ESO/ dpaAls Hawking begann, sich mit Schwarzen Löchern zu beschäftigen, gab es noch keine Beobachtungsdaten zu den kollabierten Sternleichen. Trotzdem gelang es dem Denker, den rätselhaften Gebilden viele Geheimnisse zu entlocken.
1. Erste, sehr grundlegende Theorien
1973, als er gerade 31 war, veröffentlichte Hawking zusammen mit zwei Kollegen eine grundlegende Theorie über Schwarze Löcher. Laut einer Voraussage von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie entstehen die Massegiganten, wenn ausgebrannte Riesensterne am Ende ihres Daseins unter der eigenen Schwerkraft zusammenstürzen.
Oberhalb einer bestimmten Masse wird die Schwerkraft so stark, dass nichts diesen Kollaps aufhalten kann - die Materie stürzt zu einem mathematischen Punkt zusammen, einer sogenannten Singularität. In den exotischen Gebilden hört die Zeit auf zu existieren, nicht einmal Licht kann aus ihnen entkommen.
2. Das Verschwinden der Schwarzen Löcher
1974 folgte der Paukenschlag: Hawking zeigte, dass Schwarze Löcher, die Staubsauger des Universums, Materie nicht nur verschlucken. Stattdessen senden sie Strahlung aus und verdampfen so langsam, bis sie irgendwann verschwunden sind. Die Strahlung erhielt in den Folgejahren den Namen Hawking-Strahlung.
Zuvor hatten Physiker angenommen, dass Schwarze Löcher so dicht sind, dass ihrer Anziehungskraft nichts entkommen kann. "Hawkings Erkenntnisse waren eine komplette Überraschung", sagt Gary Horowitz, ein theoretischer Physiker an der University of California in Santa Barbara. "Es war wirklich revolutionär."
Doku "Schwarze Löcher - Zeitreise ins Universum"
Das Faszinierende an der neuen Berechnung: Die Hawking-Strahlung ist nur möglich durch die Anwendung der Quantenmechanik, also der Theorie kleinster Teilchen. Schwarze Löcher hingegen sind eine Folge der Allgemeinen Relativitätstheorie. Beide Theorien zu einer großen Theorie zusammenzufügen, ist seit Jahrzehnten ein Traum von Physikern.
Das Ergebnis wäre die große vereinheitlichte Theorie, die "Weltformel". Diese hat auch Hawking nicht finden können, aber seine Arbeit war ein Schritt in diese Richtung.
3. Die Lösung des Informations-Dilemmas
Die verdampfenden Schwarzen Löcher führen den Physiker jedoch auch zu einem Problem, über das er drei Jahrzehnte grübelte: Wenn die Schwerkraftstrudel Materie verschlucken und anschließend verdampfen, vernichten sie dabei scheinbar Information. Das wäre jedoch gegen die Prinzipien der Quantenphysik, die darauf baut, dass Information stets erhalten bleibt.
2004 verabschiedete sich Hawking deshalb von seiner früheren Theorie, dass Objekte, die von einem Schwarzen Loch verschluckt werden, einfach verschwinden - und vielleicht in ein anderes Universum eintreten. Stattdessen erklärte er, dass die Objekte in einer veränderten Form wieder von den Schwarzen Löchern ausgespuckt werden.
"Die Information geht nicht verloren, sie wird nur nicht in brauchbarer Weise zurückerstattet", erläuterte Hawking in seiner Autobiografie "Meine kurze Geschichte" seine Lösung des Dilemmas. "Es ist so, als würden Sie eine Enzyklopädie verbrennen: Streng genommen geht die in ihr enthaltene Information nicht verloren, wenn Sie allen Rauch und alle Asche sorgfältig aufheben, aber sie lässt sich sehr schwer lesen."
Kosmologie

Urknall (Illustration)
Foto: imago/UIGNeben Schwarzen Löchern widmete Hawking einen Großteil seines Schaffens der Kosmologie - der Lehre von der Evolution des Weltalls. In der Zeit seiner Doktorarbeit begann sich die Urknalltheorie gerade durchzusetzen. Der theoretische Physiker spielte dabei eine wichtige Rolle.
4. Eine mathematische Begründung des Urknalls
Zusammen mit seinem Mentor und Kollegen Roger Penrose liefert Hawking 1965 die mathematische Begründung dafür, dass das Universum mit einem Urknall entstanden ist. Er erkannte, dass sich die Singularität in einem Schwarzen Loch und im Urknall mathematisch gleichen.
Er stellte sich vor, die Zeit mathematisch in umgekehrte Richtung laufen zu lassen. So wie ein großer Stern zu einer Singularität zusammenstürzen kann, kann auf diese Weise das gesamte Universum aus einer Singularität hervorgegangen sein. Damit lieferte der britische Forscher eine wichtige mathematische Stütze für die Urknalltheorie.
BBC-Doku "Big Bang Theory - Am Anfang war der Knall - oder?"
5. Eine imaginäre Zeit
Die Allgemeine Relativitätstheorie und ihre Erkenntnisse im Hinblick auf Schwarze Löcher sagten demnach voraus, dass das Universum einen Anfang haben müsse, folgerte Hawking. In der Singularität selbst versagt die Allgemeine Relativitätstheorie jedoch genauso wie alle anderen Naturgesetze.
Später schlug Hawking eine Lösung für dieses Problem vor, indem er eine imaginäre Zeit einführte. Damit wurde es möglich, den Anfang des Universums auf den Nordpol einer Erdkugel zu legen und so die Singularität zu vermeiden.
Die Zeit hat bei diesem Vergleich ihren Anfang am Nordpol, aber sonst ist dieser Punkt nicht anders als jeder andere Punkt auf der Erdoberfläche - die Naturgesetze sind dort wie überall gültig. So wie eine Kugelfläche keinen Rand hat, ist demnach auch das Universum in sich geschlossen. Es begann nach dieser "Kein-Rand-Hypothese" spontan aus dem Nichts. "Die Frage, was vor dem Urknall war, ist genauso wie jene, was eine Meile nördlich des Nordpols liegt."
Und Hawking war überzeugt: "Die Kein-Rand-Bedingung ist der Schlüssel zur Schöpfung, zur Antwort auf die Frage, warum wir hier sind."