Suche nach der zweiten Erde
"Sie dürfen niemals blinzeln"
Die Nasa will 2007 das "Kepler"-Weltraumteleskop auf die Jagd nach erdähnlichen Planeten schicken. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt der Astrophysiker und "Kepler"-Mitarbeiter David Koch, wie er den unsichtbaren Trabanten auf die Schliche kommen will.
Herr Koch, auf dem Internationalen Astronautik-Kongress in Bremen haben Sie die Pläne der Nasa vorgestellt, mit "Kepler" auf Planetenjagd zu gehen. Wieso brauchen wir ein neues Satellitenteleskop, wenn mit irdischen Fernrohren bereits rund hundert Exoplaneten gefunden wurden?
Koch: Von der Erde aus haben wir Exo-Gasriesen gefunden, ähnlich dem Jupiter in unserem Planetensystem. Jupiter ist etwa 300-mal schwerer als die Erde. Wir wollen aber auch Exoplaneten finden, die eine vergleichbare Größe haben wie unsere Erde. Dafür sind die bisherigen erdgebundenen Methoden jedoch zu unempfindlich.
SPIEGEL ONLINE: Auch "Kepler" kann die fernen Trabanten nur indirekt nachweisen. Mit welcher Methode wollen sie sich also auf die Jagd begeben?
Koch: Wir setzen auf das neue Transitverfahren. Wenn ein unsichtbarer Exoplanet vor seinem Heimatstern entlang zieht, blockiert er für einen Beobachter am Teleskop ein paar Stunden lang einen kleinen Teil des Sternenlichtes. Sieht man einen solchen zeitweiligen Lichtabfall bei demselben Stern ein zweites Mal, sprechen wir von einem "Dip" in der Lichtkurve und haben einen Kandidatenplaneten mit einer Umlaufzeit.
SPIEGEL ONLINE: Dann können Sie auch vorhersagen, wann der Kandidat beim nächsten Mal vorüberzieht ...
Koch: Genau. Wenn zum vorhergesagten Zeitpunkt wieder ein Dip eintritt, dann haben wir einen Exoplaneten auf der Umlaufbahn des Sterns gefunden.
SPIEGEL ONLINE: Die Transitmethode ist zwar empfindlicher und kann auch kleinere Planeten aufspüren. Gleichzeitig brauchen Sie aber Glück, damit der Trabant von uns aus gesehen auch genau vor dem Stern entlang wandert. Wie viele Sterne müssen Sie im Auge behalten für eine hinreichende Ausbeute?
Koch: Rund 100.000 Sterne werden wir permanent überwachen. Dabei wird "Kepler" immer in dieselbe Richtung des Weltalls starren. Sie dürfen niemals blinzeln, wenn Sie keinen Transit verpassen wollen. Diese Ereignisse sind dazu einfach zu kurz. Wir haben ein spezielles Fernrohr an Bord. Herkömmliche Teleskope sind konstruiert, um eine einzelne Galaxie oder einen einzelnen Stern zu beobachten. Unser Schmidt-Teleskop, übrigens das größte seiner Bauart, kann einen sehr großen Ausschnitt des Himmels abbilden. Nur so kommen insgesamt genügend Sterne zusammen.
SPIEGEL ONLINE: Wie lange werden sie auf Ihr stellares Zielgebiet starren?
Koch: Die Beobachtungen werden gleich nach dem Start im Jahr 2007 beginnen. Zunächst ist eine Missionsdauer von vier Jahren vorgesehen. Da wir Planeten auf erdähnlichen Umlaufbahnen suchen und zur Bestätigung drei beobachtete Transits benötigen, müssen wir allein deshalb schon drei Jahre einkalkulieren. Wenn die Mission verlängert wird, haben wir die Chance, Objekte auf Mars-ähnlichen Bahnen zu finden.
SPIEGEL ONLINE: Angenommen, astronomisch interessierte Aliens auf unsererm Nachbargestirn Proxima Centauri hätten so etwas wie "Kepler" in Betrieb, würden sie in unserem Sonnensystem die kleine Erde oder gar den Mars entdecken?
Koch: Wir jedenfalls werden mit "Kepler" nicht unsere stellaren Nachbarn ins Visier nehmen...
SPIEGEL ONLINE: Warum? Interessiert Sie unsere Nachbarschaft nicht?
Koch: Doch, aber wir müssen in ganz bestimmte sternreiche Zonen blicken, um genügend Sonnen ins Blickfeld zu bekommen. Unsere Sterne sind typischerweise 300 bis 1500 Lichtjahre entfernt, also vergleichsweise weit weg. Aber zurück zu Ihrer Frage: Planeten von der Größe unserer Erde können wir sicher aufspüren. Bei kleineren Objekten, wie Mars oder Merkur, haben wir eine Chance, wenn sie ihren Heimatstern auf sehr engen Bahnen umkreisen.
SPIEGEL ONLINE: Was werden wir mit Ihrer Mission über mögliche Lebensformen auf anderen Planeten lernen?
Koch: Wir können mit "Kepler" zwar kein Leben auf einem der Exoplaneten nachweisen, wir erhalten aber wichtige Informationen über die theoretische Bewohnbarkeit des Planeten. Das lässt sich aus seiner Größe und seiner Temperatur ableiten. Ist der Planet sehr klein, also kleiner als Mars, kann seine geringe Schwerkraft auf Dauer keine dichte Atmosphäre halten. Hat der Planet etwa das zehnfache der Erdmasse, handelt es sich eher um einen Gasriesen, was ebenfalls bedeutet, dass er wohl kein Leben beherbergen kann. Auch den Abstand zu seinem Heimatstern können wir ermitteln. Der ist wichtig für die Temperatur auf der Planetenoberfläche, also auch für die Frage, ob dort flüssiges Wasser existieren kann.