Supernova-Explosion Forscher simulieren Krebsnebel-Geburt
Im Jahr 1054 nach Christus beobachteten chinesische und arabische Astronomen einen neuen Stern im Sternbild Stier. Er war so hell wie die Venus. Den historischen Überlieferungen zufolge wurde dieser "Gaststern" innerhalb von Wochen zunehmend heller - und war im Juli 1054 sogar für 23 Tage am Taghimmel zu beobachten. Über zwei Jahre lang blieb er mit bloßem Auge erkennbar.
Bei der ungewöhnlichen Erscheinung vor 952 Jahren handelte es sich um eine gigantische Supernova-Explosion, deren Resultat der bekannte Krebsnebel im Sternbild Stier war. Das Rätsel, wie der Krebsnebel damals entstand, glauben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching jetzt gelöst zu haben.
Mit ausgefeilten Computersimulationen konnten die Forscher nachweisen, dass es sich bei diesem Gasnebel um die auseinander fliegende Trümmerwolke eines Sterns mit etwa der zehnfachen Sonnenmasse handelt, der durch die Wirkung von Neutrinos explodiert ist. Diese Elementarteilchen wurden in riesiger Zahl abgestrahlt, als der Kern des Sterns zu einem Neutronenstern kollabierte, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift "Astronomy & Astrophysics".
Die Garchinger Simulation bestätigte eine 25 Jahre alte Theorie für den Beginn der Explosion, deren Gültigkeit bislang nur sehr schwer mit Computermodellen zu belegen war. Die Modelle der Max-Planck-Forscher konnten die Theorie zumindest für Sterne im unteren Massenbereich von Supernova-Vorläufersternen stützen.
"Mit unserer detaillierten und genauen Beschreibung, wie Neutrinos in der Materie im Supernova-Zentrum entstehen und wechselwirken, können wir bestätigen, dass das Neutrino-Heizen Sternexplosionen auslösen kann wie diejenige, die zur Entstehung des Krebsnebels geführt hat", sagte Francisco Kitaura, der die Computersimulationen durchgeführt hat.
In Sekundebruchteilen kollabiert
Der Stern mit etwa zehnfacher Sonnenmasse hatte 1054 nach Millionen von Jahren ruhiger Entwicklung seinen nuklearen Brennstoff aufgebraucht. Damit war die Energiequelle in seinem Zentrum erloschen, die ihn gegen die gewaltigen Kräfte seiner eigenen Gravitation stabilisiert hatte. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde stürzte daraufhin sein Kern zu einem Neutronenstern zusammen.
Ein solches kompaktes Objekt hat mehr Masse als die Sonne, dabei aber nur einen Durchmesser von etwa 20 Kilometern. Dieser Neutronenstern ist heute als Pulsar im Krebsnebel sichtbar. Er dreht sich 33 mal pro Sekunde um die eigene Achse und sendet dabei periodische Strahlungspulse aus.
Der größte Teil des Sterns wurde jedoch in einer ungeheuren Explosion mit einer Energie auseinandergesprengt, die aller Strahlung gleichkommt, welche die Sonne innerhalb von fünf Milliarden Jahren abgegeben hat. Die heißen Sterntrümmer leuchteten dann als jener neue Stern auf, von dem chinesische und arabische Astronomen berichteten.
Die Computermodelle belegen, dass Neutrinos die treibende Kraft hinter der Explosion waren. Diese Elementarteilchen entstehen in riesiger Zahl im sehr heißen und extrem dichten Innern eines neu entstehenden Neutronensterns, vor allem durch Reaktionen von Elektronen und Positronen mit Protonen und Neutronen, den Bausteinen von Atomkernen.
Aufgeheizt wie ein Dampfkochtopf
Nachdem die Neutrinos ihren Weg zur Oberfläche des Neutronensterns gefunden haben, verließen die meisten davon den Stern und trugen auf diese Art 99 Prozent der Energie fort, die während der Bildung des Neutronensterns freigesetzt wurde. Weniger als ein Prozent der Neutrinos wurden aber in dem stellaren Gas, das den Neutronenstern umgab, absorbiert. Die dadurch übertragene Energie heizte das Sterngas und brachte es zum Brodeln wie Suppe in einem Dampfkochtopf. Der sich aufbauende Druck beschleunigte schließlich die äußeren Sternschichten und zersprengte den Stern in einer Supernova-Explosion.
Heute sieht man an dieser Himmelstelle die filigrane Gas- und Staubwolke des Krebsnebels, die mittlerweile eine Ausdehnung von rund sechs Lichtjahren hat und sich immer noch mit 1.500 Kilometern in der Sekunde ausdehnt.
"Unsere Computermodelle legen nahe, dass die Krebs-Supernova nur deshalb ein so ungeheuer helles Ereignis war, weil sie sich in nur 6.300 Lichtjahren Abstand von der Erde ereignet hat", erklärt Wolfgang Hillebrandt, der Leiter der Forschergruppe. "Verglichen mit anderen Supernovae war es eigentlich ein relativ schwaches und unspektakuläres Ereignis. Unsere Computermodelle werden uns sagen, wonach wir künftig Ausschau halten müssen, um weitere solche Fälle aufspüren zu können."
hda