Verbogene Raumzeit Satelliten-Messung gibt Einstein Recht
Nicht weniger als 760 Millionen Dollar und 48 Jahre der Forschung waren nötig, um diese Gewissheit zu bekommen: Albert Einstein hatte Recht mit der Vorhersage, dass große Objekte wie die Erde die Raumzeit krümmen. Um die Theorie zu prüfen, haben Wissenschaftler bereits 1959 ein Experiment erdacht: Eine Raumsonde, ausgerüstet mit hochempfindlichen Kreiselinstrumenten - so genannten Gyroskopen - umkreist die Erde und gleicht ihre Position an einem Stern ab. Sollte Einstein Recht haben, müsste der Satellit minimal von seinem Kurs abweichen.
Im April 2004 hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa nach Jahrzehnten der Vorbereitung den Plan in die Tat umgesetzt und den Satelliten "Gravity Probe B" ins All geschossen. Jetzt haben Wissenschaftler der Stanford University die ersten Ergebnisse veröffentlicht: Einstein lag mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent richtig.
In seiner Relativitätstheorie hatte Einstein ein neues Bild der Gravitation entworfen: Sie ist eine Folge der Krümmung der Raumzeit. Ein Himmelskörper wie etwa die Sonne wirkt in diesem Fall wie eine Kugel, die auf einer dünnen Gummihaut liegt und eine Beule verursacht. Nähert sich eine zweite Kugel, kommt sie immer schneller auf die erste zu. Dass die Planeten nicht einfach in die Sonne stürzen, liegt an deren Geschwindigkeit: Dank der Fliehkraft bleiben die Trabanten der Sonne auf stabilen Umlaufbahnen.
Winzige Abweichung bestätigt Relativitätstheorie
"Gravity Probe B" hat die Raumzeit-Krümmung jetzt bestätigt, wie die Stanford University mitteilt: Die Drehachsen der Gyroskope hätten sich in der Tat um winzige 0,0018 Grad gegenüber der Ebene der Satelliten-Umlaufbahn verschoben - wie von der Relativitätstheorie vorhergesagt.
Neben dieser Krümmung der Raumzeit hat "Gravity Probe B" noch einen weiteren Effekt überprüft: Durch ihre Rotation müssten Himmelskörper die Raumzeit verdrehen - wie ein Mixer, der durch eine Schüssel voller Sahne fährt. Das folgerten die beiden Österreicher Joseph Lense und Hans Thirring aus der Allgemeinen Relativitätstheorie, zwei Jahre nachdem Einstein sein Jahrhundertwerk 1916 vorgestellt hatte. Die Raumzeit-Verwirbelung heißt deshalb auch Lense-Thirring-Effekt.
Ihn hat "Gravity Probe B" nun ebenfalls erfolgreich überprüft: Die Stanford-Forscher maßen eine Abweichung der Gyroskope um 0,000011 Grad, was in etwa der breite eines menschlichen Haars aus einer Entfernung von 400 Metern entspreche.
"Ergebnisse nicht gerade sensationell"
Chefwissenschaftler Francis Everitt kündigte die Veröffentlichung der endgültigen Ergebnisse für Dezember an. "Es wird noch rund acht Monate dauern, bis wir ausreichend Daten gesammelt haben, um die volle Genauigkeit der Messungen zu erreichen", erklärte Everitt beim Treffen der American Physical Society in Jacksonville (US-Bundesstaat Florida). William Bencze, der Manager des "Gravity Probe"-Programms, verglich das Projekt mit einer archäologischen Grabung: "Ein Wissenschaftler beginnt mit einem Bulldozer, greift dann zur Schaufel und benutzt am Ende Zahnstocher und Zahnbürste, um den Staub zu entfernen. Wir holen jetzt die Zahnbürsten hervor."
Trotz der Erfolgsmeldung wurde bereits Kritik an dem Projekt laut: Die Ergebnisse rechtfertigten kaum die Dauer von mehreren Jahrzehnten und Kosten von umgerechnet rund 560 Millionen Euro. Robert Massey von der Royal Astronomical Society sagte der britischen Zeitung "The Guardian", dass die Mission "legitime Wissenschaft" sei. Schließlich gehe es darum, eine Theorie zu überprüfen - auch wenn die Ergebnisse keinen besonderen Fortschritt bedeuteten. Ähnlich äußerte sich der königlich-britische Hofastronom Sir Martin Rees: Die Ergebnisse seien nicht gerade sensationell.
Zudem ist es gut möglich, dass Everitt und seine Kollegen nicht einmal die Ersten waren, denen die experimentelle Bestätigung der Raumzeit-Verwirbelung gelungen ist. Im Oktober 2004 haben Ignazio Ciufolini von der Universität Lecce und Erricos Pavlis von der University of Maryland im Fachblatt "Nature" die Ergebnisse eines relativ simplen Experiments veröffentlicht. Sie hatten die Umlaufbahnen der beiden "Lageos"-Satelliten der Nasa elf Jahre lang per Laser vermessen. Die Ergebnisse, schrieb das Duo, stimmten mit 99-prozentiger Genauigkeit mit den Vorhersagen des Lense-Thirring-Effekts überein.