"Voyager 2" Hinterm Sonnenwind geht's weiter

"Voyager 2"
Foto: NASAAuf ganz einfache Fragen gibt es oft keine einfachen Antworten.
Wo, zum Beispiel, ist eigentlich unser Sonnensystem zu Ende? Irgendwo weit hinter dem letzten Planeten Neptun muss es sein, irgendwo weit hinter dem zum Kleinplanten degradierten Pluto - und all den anderen Objekten des sogenannten Kuipergürtels, der Rumpelkammer unserer kosmischen Nachbarschaft, durch die gerade die Nasa-Sonde "New Horizons" fliegt.
Einen Hinweis darauf, dass man zumindest in Richtung des Randes des Sonnensystems unterwegs ist, gibt es jedoch - und der hat mit dem Sonnenwind zu tun. Unser Stern schickt ständig einen Strom von Partikeln ins All: Protonen, Elektronen und Heliumkerne vor allem. Auf Höhe der Erde sind das je nach Aktivität unserer Sonne in etwa ein bis zehn Millionen Teilchen pro Kubikmeter. Dieser Sonnenwind ist praktischerweise auch eine Schutzhülle, die den Großteil der gefährlichen kosmischen Strahlung von uns fernhält.
"Alles, was wir sehen, ist neu"
Je weiter sich die Teilchen des Sonnenwinds aber von der Sonne wegbewegen, desto stärker werden sie abgebremst. Das liegt daran, dass sich Sonne und Planeten wiederum durch das sogenannte Interplanetare Medium bewegen, das vor allem aus Gas und Staub in geringer Konzentration besteht. Und irgendwo, in etwa 120 Mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde, hat der Teilchenstrom aus den Tiefen des Alls mehr Kraft als die immer schwächer werdenden Partikel des Sonnenwindes.
Dort ist unser Sonnensystem nicht zu Ende - aber der innere Einflussbereich unseres Sterns.
Und diese Zone, die sogenannte Heliopause, hat die Nasa-Sonde "Voyager 2" offenbar kürzlich erreicht. Auf dem Jahrestreffen der American Geophysical Union in Washington haben Forscher der US-Weltraumbehörde entsprechende Erkenntnisse am Montag vorgestellt. Sie stützen sich dabei vor allem auf Messungen des "Plasma Science Experiments" an Bord der im Sommer 1977 gestarteten Sonde.

"Voyager 2" außerhalb des Sonnensystems
Foto: NASA/ JPL-Caltech"Durch die Arbeit mit 'Voyager 2' fühle ich mich wie ein Entdecker", sagt John Richardson, der für das Instrument zuständige Chefwissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. "Alles, was wir sehen, ist neu."
Das "Plasma Science Experiment" funktioniert bis heute - auch wenn mittlerweile ganze 16 Stunden und 36 Minuten verstreichen, bis die Signale der Sonde die Antennen des Deep Space Network auf der Erde erreichen. So lange dauert es für die Funkwellen, die 18 Milliarden Kilometer zurückzulegen - obwohl sie mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind. Den genauen Abstand der Sonde finden Sie hier .
Abfall der Sonnenwindpartikel
"Voyager 2" ist das zweite von Menschen gemachte Objekt, das den Bereich der Heliopause erreicht. Vor rund sechs Jahren war das bereits ihrem Zwilling "Voyager 1" gelungen. Diese war schneller, weil sie auf einem anderen Kurs von der Erde wegflog - und so den Rand des Sonnensystems eher erreichen konnte. Das "Plasma Science Experiment" an Bord von "Voyager 1" war allerdings schon 1980 ausgefallen - deswegen ist man bei der Nasa auch so angetan von den aktuellen Daten von "Voyager 2".
Das Messgerät hatte am 5. November zunächst einen starken Abfall bei der Zahl der gemessenen Sonnenwindpartikel gemeldet - von 25 Partikeln pro Sekunde auf etwa 5. Seitdem lassen sich diese Teilchen in der Umgebung von "Voyager 2" sogar noch seltener nachweisen. Auch Messungen anderer Geräte an Bord der Sonde, sie schauen auf Magnetfeld und kosmische Strahlung, deuteten darauf hin, dass diese den Bereich der Heliopause tatsächlich erreicht habe.

Abfall des elektrischen Stroms
Foto: NASA/J PL-Caltech/ MITDiese anderen Werte lassen sich auch mit denen von "Voyager 1" vergleichen. Dabei zeigten sich im Detail durchaus Differenzen, berichtet Projektwissenschaftler Ed Stone vom California Institute of Technology in Pasadena: "Eine der guten Sachen von 'Voyager' ist, dass wir immer wieder überrascht werden." Die Unterschiede ließen sich zum Beispiel dadurch erklären, dass die Sonden die Heliopause an verschiedenen Orten erreicht hätten - und zu verschiedenen Phasen des Sonnenzyklus. "Ich wäre verwundert gewesen, wenn wir dasselbe gesehen hätten."
Ungefähr zehn Jahre bis zum Ende der Sonde
Eines muss aber gesagt sein: Das Sonnensystem ist an der Heliopause noch nicht zu Ende. Nicht ansatzweise. Weit jenseits der Planetenbahnen, weit jenseits auch des Kuipergürtels liegt die sogenannte Oortsche Wolke. Auch deren Objekte werden von der Gravitation der Sonne beeinflusst. Manche Kometen sollen von hier stammen. Die Oortsche Wolke soll sich ungefähr 100.000-mal weiter ins All hinaus erstrecken als der Abstand von Erde und Sonne beträgt.
Bis "Voyager 2" den Anfang der Oortschen Wolke erreicht, dürften nach Schätzungen der Nasa rund 300 Jahre vergehen. Und bis die Sonde das Sonnensystem tatsächlich verlassen hat, dürfte es sogar weitere 30.000 Jahre dauern.
So lange wird die Radionuklidbatterie an Bord der Sonden nicht halten. Schon jetzt ist "Voyager 2" kalt, gleichzeitig sinkt das Stromangebot ständig. "Wir glauben, dass wir fünf oder sechs, vielleicht auch zehn Jahre haben", sagt Suzanne Dodd vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena. Dafür werde man allerdings nach und nach weitere Messgeräte abschalten müssen, um Energie zu sparen, sagt Dodd: "Wir haben schwere Entscheidungen vor uns."