Weltraum-Ambitionen Iraner schicken Satelliten-Winzling ins All

Iran schießt erstmals mit einer eigenen Rakete einen Satelliten ins All - westliche Regierungen warnen prompt wieder vor den nuklearen Ambitionen der Mullahs. Experten finden das voreilig: Der Satellit ist nur ein 30-Kilo-Leichtgewicht, der Weg zu Atomraketen ist noch weit.

Wenn in Iran eine mehr oder weniger neue Rakete in die Höhe steigt, fallen die politischen Kommentare meist vorhersehbar aus. "Irans Satelliten-Technologie dient ausschließlich friedlichen Zwecken und den Bedürfnissen des Landes", sagte Irans Außenminister Manutschehr Mottaki unmittelbar nach der Meldung, sein Land habe erstmals mit einer eigenen Rakete einen Satelliten ins All geschossen. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad verkündete, der Satellit solle "Monotheismus, Frieden und Gerechtigkeit" in der Welt verbreiten.

Frankreich reagierte prompt "besorgt" auf den Satellitenstart: Es sei beunruhigend, dass Iran Technologien entwickle, die "zu ballistischen Zwecken" genutzt werden könnten, sagte Außenamtssprecher Eric Chevallier am Dienstag. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) legte bei seinem Besuch in Washington nach: Der Satellitenstart zeige, "zu welch technischen Leistungen der Iran offenbar fähig ist - und zu welchen Bedrohungen". Die US-Regierung warf dem Mullah-Regime unverantwortliches Handeln vor: Der Einsatz einer Trägerrakete könne zur Entwicklung eines ballistischen Raketensystem führen, sagte Außenamtssprecher Robert Wood. "Das macht uns große Sorgen."

Indirekt wird damit erneut die Bedrohung durch eine iranische Atomrakete beschworen. Nur: Offen bleibt, ob eine solche Bedrohung überhaupt existiert und ob sie durch den Satellitenstart größer geworden ist. Die bisher verfügbaren Informationen scheinen eher dagegen zu sprechen. Die Rakete mit der Bezeichnung "Safir-2" oder "Ambassador-2" soll den Satelliten in eine 250 bis 400 Kilometer hohe Umlaufbahn gebracht haben, wo er die Erde binnen 24 Stunden 15-mal umkreisen soll.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP soll der Satellit "Omid" ("Hoffnung") ganze 27 Kilogramm wiegen. Damit wäre er ein Winzling im Vergleich zu den sonst üblichen Kommunikations- und Spionagesatelliten - und erst recht gegenüber Atomsprengköpfen. "Selbst ein kompakter Raketensprengkopf würde über 500 Kilogramm wiegen", sagt Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.

"Im Kalten Krieg hieß es immer: Wer einen Satelliten ins All schießen kann, hat auch eine Langstrecken-Atomrakete", erklärt Nassauer SPIEGEL ONLINE. "Doch das gilt heute so nicht mehr." Denn der Weg von einer Rakete, die einen 27-Kilo-Satelliten tragen kann, bis zur Atomrakete ist lang. "Dazu sind gleich mehrere Durchbrüche notwendig", so Nassauer.

  • Durchbruch Nummer eins wäre die Entwicklung von Feststoffraketen mit enorm leistungsstarken Motoren und mehreren Stufen. "Nach bisherigen Informationen ist lediglich sicher, dass Iran Raketen mit rund 1500 Kilometern Reichweite erfolgreich getestet hat", sagt Nassauer. Alle Angaben höherer Reichweiten seien umstritten.
  • Durchbruch Nummer zwei wäre die Entwicklung einer Atomwaffe. Im Dezember 2007 haben die US-Geheimdienste im "National Intelligence Estimate" geschrieben, dass Iran zwischen 2010 und 2015 genug nukleares Material für eine einfache Atombombe besitzen könnte, vielleicht auch später. Wie lange das Land anschließend aber für den Bau einer funktionsfähigen Bombe bräuchte, blieb offen.
  • Durchbruch Nummer drei auf dem Weg zur Atomrakete wäre die Entwicklung eines Hightech-Sprengkopfs, der bei weitem kleiner und leichter sein müsste als eine einfache Atombombe des Hiroshima-Typs.

Angesichts dieser formidablen Hürden haben unabhängige Fachleute die Gefahr iranischer Atomraketen mitunter als "fiktiv" bezeichnet. Und über allem steht nach wie vor die Frage, ob das Mullah-Regime überhaupt Atomraketen entwickeln will.

Warnung vor einseitiger Beurteilung

Johannes Reissner, Iran-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, warnt vor einer einseitigen Sicht auf Teherans Weltraumprogramm. "Die technologische und wissenschaftliche Entwicklung hat in Iran einen hohen Stellenwert", so Reissner. "Es ist albern, dahinter immer sofort und ausschließlich einen militärischen Hintergrund zu sehen."

Ein eigenes Weltraumprogramm sei, wie auch die Fähigkeit zur Uran-Anreicherung, "Teil des nationalen Selbstwertgefühls" Irans. "Die Regierung will damit Zeichen setzen, dass Iran trotz des seit Jahrzehnten bestehenden US-Embargos kein Entwicklungsland mehr ist", sagt Reissner. Zudem seien die Pläne Teherans, zum 30. Jahrestag der islamischen Revolution einen Satelliten ins All zu schießen, schon länger bekannt gewesen.

Auf der anderen Seite sei nicht auszuschließen, dass der Satellitenabschuss auch militärische Hintergründe hat. "Die Entwicklung solcher Raketen steht natürlich in einem Kontext mit Rüstungsprogrammen", meint Reissner. In bestimmten Bereichen seien Wissenschaft und Rüstung nur schwer voneinander zu trennen: "Man kann davon ausgehen, dass alle militärisch relevante Forschung in Iran unter der Kontrolle der Revolutionsgarde steht." Der jetzt in den Orbit gebrachte Satellit gehöre zum "Omid Data Program", das 2005 beschlossen worden sei und von der Firma Saa-Iran Industries durchgeführt werde. Die wiederum ist laut Reissner mit dem Verteidigungsministerium verbunden.

Nur Kommunikation und Katastrophenschutz?

Die iranische Regierung behauptet, eigene Satelliten für die Kommunikation und den Katastrophenschutz einsetzen zu wollen, da das Land regelmäßig von Erdbeben heimgesucht wird. Zudem betont Teheran, dass die USA Satelliten benutze, um Iran und den Irak zu beobachten - und dass man lediglich die gleiche Fähigkeit besitzen wolle. Deshalb plane man, bis 2010 drei weitere Satelliten ins All zu schießen.

Wie wichtig die Forschung auch der religiösen Führung des Landes ist, wird laut Reissner unter anderem an der "20-Jahre-Entwicklungsvision" deutlich, die 2005 beschlossen wurde und Iran bis 2025 die wirtschaftliche, wissenschaftliche und technologische Führungsrolle in der Region bescheren soll. "Als Präsident Ahmadinedschad sein Amt übernahm, hat Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei ihm das Programm mit mahnenden Worten ans Herz gelegt", sagt Reissner.

Ob der aktuelle Satellitenstart einen militärischen oder eher wissenschaftlichen Hintergrund hat, ist derzeit fraglich. "Es ist klar, dass alles, was Iran in dieser Hinsicht tut, erst einmal in die Schmuddelecke gestellt wird", meint Reissner. "Aber eine einseitige Betrachtungsweise führt selten zu einer guten Politik."

Eine Schlüsselfrage zur Sicherheit in der Region ist freilich, ob auch Irans Atomprogramm inklusive der Bemühungen um eine eigene Uran-Anreicherung nur friedlichen Charakter hat, wie Teheran stets behauptet. Der renommierte US-Rüstungsexperte David Albright ist skeptisch: In einem Ende Januar veröffentlichten Statusbericht über das iranische Nuklearprogramm  kam er gemeinsam mit Kollegen zur "unvermeidbaren Schlussfolgerung", dass die Mullahs auf Atomwaffen aus seien.

Widersprüchliche Signale aus Washington

Albright befürchtet, dass Iran schon bald eine ausreichende Menge niedrig angereicherten Urans besitzen könnte, um bei entsprechender Entscheidung binnen kürzester Zeit genug hochangereichertes Uran für eine Atombombe herzustellen. Nassauer hält dem entgegen, dass Iran gar nicht anders könne: Auf dem Weg zur Anreicherung eigener Brennstäbe für einen Reaktor müsse jeder Staat ein Stadium durchlaufen, in dem er ausreichend Material für eine Atombombe, aber noch nicht genug für den Betrieb eines Reaktors habe. "Das liegt in der Natur der Sache", so Nassauer.

Letztlich sieht auch Albright den einzigen Ausweg im Kompromiss: Iran müsse die Atomenergienutzung gestattet werden, allerdings ohne eigene Anreicherung oder Wiederaufbereitung des Brennmaterials. Und um dieses Ziel zu erreichen, müssten die USA zur Diplomatie zurückkehren und hartnäckig bleiben.

Im besten Fall könne die Sache ausgehen wie im Fall Südafrikas, das seine Atomwaffen freiwillig aufgab. Im schlechteren Fall ginge Iran einen ähnlichen Weg wie Pakistan, das inzwischen - ebenso wie sein Erzrivale Indien - über Atomwaffen verfügt. "Diese Situation", meint Albright, "könnte am Ende dazu führen, dass die Atomwaffen benutzt werden."

Washingtons Stellungnahmen zum jüngsten Satellitenstart lassen allerdings vermuten, dass die US-Regierung noch etwas hadert, wie sie mit der Lage genau umgehen soll. Ein nicht namentlich genannter US-Beamter gab sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zunächst überraschend konziliant: Die iranische Technologie sei "wahrscheinlich nicht die beste". Den Satellitenstart nannte er nur einen "symbolischen Schritt".

Minuten später aber zitierte die gleiche Agentur Pentagon-Sprecher Geoff Morrell mit den Worten, der Satellitenstart sei "Grund zur Sorge" und zeige, dass Iran ballistische Raketen mit immer größerer Reichweite entwickle. Robert Gibbs, Sprecher des Weißen Hauses, fügte hinzu, dass die USA im Umgang mit dem Iran "alle Elemente unserer nationalen Macht" einsetzen würden. Die iranischen Bemühungen um ein Raketen- und Atomprogramm, seine Drohungen gegen Israel und "seine Unterstützung für den Terrorismus" seien "eine akute Besorgnis" der US-Regierung.

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