Umstellung im Juni Schaltsekunde bedroht Computersysteme

Planet Erde: Reibung verlangsamt Rotation und macht Tage länger
Foto: NASA/ NOAA/ GSFC/ Suomi NPP/ VIIRSJeder weiß, was ein Schaltjahr ist. Doch es gibt auch die weniger bekannte Schaltsekunde. Sie wird alle drei, vier Jahre meist am 30. Juni eingefügt. Die zusätzliche Sekunde um Mitternacht soll ausgleichen, dass die Erde sich nicht mehr exakt in 24 Stunden einmal um sich selbst dreht. Sie braucht einen klitzekleinen Moment länger.
"Die Erde dreht sich immer langsamer", sagt Vincent Meens von der französischen Weltraumagentur CNES. Die Ursache ist Reibung, die wiederum eine Folge der Gezeiten ist - also auf den Mond zurückgeht. Doch auch große Masseverschiebungen auf der Erde - ausgelöst durch Erdbeben oder Gletscherschmelzen - können die Drehgeschwindigkeit minimal verändern.
Der International Earth Rotation and Reference Service (IERS) beobachtet die Rotationsdauer permanent und hat nun festgelegt, dass es 2015 wieder eine Schaltsekunde geben wird - und zwar am 30. Juni. Von 23.59 Uhr und 59 Sekunden bis Mitternacht der koordinierten Weltzeit UTC vergehen dann zwei Sekunden statt nur einer. Die letzten Schaltsekunden hatte es 2005, 2008 und 2012 gegeben. Seit 1972, der Einführung der Schaltsekunden, wurden insgesamt 25 davon eingefügt.
So klein die Zeitumstellung selbst auch ist, sie bereitet Ingenieuren und Informatikern große Sorgen. "Je mehr digitale Technik die Menschheit nutzt, umso größere Probleme bereitet die Schaltsekunde", sagt der französische Forscher Meens. Computersysteme gerieten mitunter in Schwierigkeiten, wenn es eine Sekunde quasi doppelt gebe. Problematisch sei auch, dass Schaltsekunden nicht langfristig festgelegt werden könnten, weil die Änderung der Rotationsdauer Schwankungen unterliege.
USA und Frankreich wollen Schaltsekunden abschaffen
Bei der letzten Schaltsekunde im Jahr 2012 gab es bei diversen größeren Websites Störungen, etwa bei Reddit, Foursquare und LinkedIn. Auch das Buchungssystem der Fluglinie Qantas machte Probleme. Bei einigen IT-Systemen umschiffen Informatiker das Problem der eingefügten Sekunde, indem sie die Computeruhr über einen gewissen Zeitraum minimal verlangsamen. Smear (deutsch: verschmieren) heißt diese Methode, unter anderem genutzt von Google .
Wegen der immer größeren technischen Probleme, die Schaltsekunden verursachen, plädieren Länder wie die USA oder Frankreich für deren gänzliche Abschaffung. Statt laufend und in unregelmäßigen Abständen eine Sekunde zu addieren, sollte man lieber mit der minimalen Abweichung vom astronomischen Tag leben, lautet ihr Vorschlag.
"Darüber wird schon länger diskutiert", sagt Sanjay Acharya, Sprecher der International Telecommunications Union (ITU) . Die ITU ist zuständig für die koordinierte Weltzeit UTC und könnte daher auch Änderungen festlegen. Schon auf dem nächsten ITU-Kongress im Herbst in Genf wäre dies möglich. "Es ist denkbar, alle hundert Jahre eine Schaltminute zu machen", erklärt Acharya. Es könne auch Schaltstunden geben.
Gegen eine Abschaffung der Schaltsekunden wehrten sich vor allem Großbritannien und Russland, berichtet der CNES-Wissenschaftler Meens. Es gibt in der Tat Argumente dagegen. Astronomen beispielsweise sind auf präzise Zeitinformationen angewiesen. Wenn die Zeit nicht mehr an die Rotation der Erde gekoppelt ist, könnte dies langfristig für Probleme in astronomischen Daten sorgen. Die Schaltsekunden sorgen dafür, dass die sogenannte Universelle Sonnenzeit und die Weltzeit UTC höchstens 0,9 Sekunden voneinander abweichen.
Es gibt übrigens noch eine ganz andere Lösung für das Problem der schwächelnden Erddrehung. Man könnte auch die Definition der Sekunde verändern. Diese ist über die Schwingungsdauer einer bestimmten Strahlung von Cäsium-133-Atomen definiert. Eine Sekunde ist das 9.192.631.770-fache der Periodendauer dieser Strahlung. Würde dieser Faktor minimal erhöht, wäre die Dauer einer Sekunde verlängert. "Dann bräuchte man für längere Zeit erst einmal keine Schaltsekunden mehr", sagt Vincent Meens von der französischen Weltraumagentur CNES. Eine solche Umstellung hält der Forscher aber für eher unwahrscheinlich, weil sie weitreichende Folgen etwa in der Physik hätte. Beispielsweise müsste man Konstanten ändern.