Weltklimakonferenz »Wer in Glasgow nur redet und nicht liefert, wird schnell erwischt werden«

Auf dem Scottish Event Campus treffen sich ab Sonntag die Teilnehmer der Weltklimakonferenz
Foto: BEN STANSALL / AFPDie Folgen der Klimakrise sind schon jetzt deutlich zu spüren – und könnten noch viel dramatischer werden, wenn es nicht gelingt, die gefährliche Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wie das zu schaffen ist, soll ab Sonntag in Glasgow bei der Weltklimakonferenz besprochen werden.
Im Vorfeld mangelt es nicht an Mahnungen, dass die Konferenz unbedingt ein Erfolg werden muss. Zugleich wird aus den Wortmeldungen aber auch deutlich, wie schwierig die Verhandlungen werden dürften – und wie unterschiedlich die Interessen einzelner Teilnehmer sind.
Die Industrie sei »in Sorge«, dass auf der Konferenz der »dringend notwendige globale große Wurf für den Klimaschutz erneut nicht gelingt«, sagte der Präsident des Industrieverbands BDI, Siegfried Russwurm, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Ein globales Problem wie der Klimawandel lasse sich nur global lösen. »Nationale Alleingänge sind kontraproduktiv«, sagte Russwurm. »Es ist gefährlich und schadet dem Klima, wenn die Unterschiede im Ehrgeiz für Klimaschutz zunehmen.« Dies verlagere die Emissionen in Länder mit weniger strengen Klimaschutzmaßnahmen und belaste einseitig heimische Unternehmen.
Auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing mahnte vor Beginn der Konferenz weltweit einheitliche Maßstäbe an. »Wir müssen unbedingt Standards erarbeiten, die global gelten oder zumindest kompatibel sind, damit ein Unternehmen entlang seiner Lieferkette nicht unterschiedliche Standards bedienen muss«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) erwartet als Resultat aus Glasgow einen gemeinsamen internationalen Kraftakt. Die internationale Staatengemeinschaft müsse dem Klimawandel schneller und ambitionierter entgegenwirken. »Jedes Land muss dabei nach Kräften seinen Beitrag leisten.« Den Weg zu einer leistungsfähigen Kreislaufwirtschaft werde durch Investitionen in Wissenschaft und Forschung geebnet.
»Es ist höchste Zeit, dass wir deutlich mehr tun«
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte mehr Anstrengungen, um den Ausstoß von Treibhausgas zu senken. »Wir müssen besser werden, gar keine Frage«, sagte sie. »Wenn wir uns nicht mehr anstrengen, werden die Folgen dramatisch sein.« Sie erwarte, dass die Länder ihre Ziele ehrgeiziger formulierten und plausibel darlegten, wie sie diese erreichen wollten. »Wir sind noch nicht auf der Erfolgsspur, und es ist höchste Zeit, dass wir deutlich mehr tun. Wir haben nur noch diese Dekade, um die Weichen richtig zu stellen und zu vermeiden, dass wir irreversible Kipppunkte erreichen.«
David Sassoli, Präsident des Europaparlaments, mahnte, wenn es der Weltgemeinschaft mit dem 1,5-Grad-Ziel ernst sei, müssten »aus netten Ambitionen klare und realisierbare Maßnahmen werden«. Den G20-Staaten, die für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich seien, komme dabei eine Vorreiterrolle zu. »Wir müssen sehen, dass jeder von ihnen dem Beispiel der EU folgt und sich verpflichtet, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.«
»Wer in Glasgow nur redet und nicht liefert, wird schnell erwischt werden«
Bundesumweltministerin Schulze dämpfte hingegen die Erwartungen an den Gipfel. »Es wäre ein Fehler, von Weltklimakonferenzen die spontane Weltrettung zu erwarten – dafür ist die Herausforderung zu komplex«, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Klimakonferenzen funktionierten nicht nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. »Das ist ein Langstreckenlauf, bei dem jede Etappe ihre Bedeutung hat.«
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warnte derweil vor »massiven Flüchtlingsströmen« durch den Klimawandel. Die Folgen einer starken Erderwärmung »wären dramatisch, vor allem für die ärmsten und verwundbarsten Länder«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In den am härtesten betroffenen Ländern würden erst die Pflanzen, dann das Vieh und dann die Menschen sterben. Deshalb müsse die Weltgemeinschaft »konsequent global gegensteuern«.
Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hat vor einem internationalen Imageverlust gewarnt, wenn Staaten Klimaziele nicht erfüllen. Das Treffen sei »die größte, wenn nicht letzte Chance für die Welt, die Klimakatastrophe abzuwenden«, sagte Sturgeon. »Wer in Glasgow nur redet und nicht liefert, wird schnell erwischt werden.« Sie forderte »ein gutes Resultat« der Weltklimakonferenz.
Parallel zum G20-Gipfel in Rom beginnt in Glasgow am Sonntag die Weltklimakonferenz. Die G20-Staaten spielen dabei die entscheidende Rolle, weil sie für mehr als drei Viertel der Emissionen verantwortlich sind. Zwei wichtige Staatschefs fehlen allerdings in Rom: Der chinesische Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin reisten wegen der Pandemie nicht an.