Klima-Appell an Olaf Scholz »Wir gehören zur letzten Generation, die aufhalten kann, was uns droht«

Bundeskanzler Scholz: Adressat des Briefes
Foto:Kay Nietfeld / dpa
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Eine Gruppe von mehr als 240 Politikern von Union bis Linke, Wissenschaftlerinnen, Geistlichen, Intellektuellen und Aktivistinnen fordert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem offenen Brief zu mehr Klimaschutz auf. »Je länger wir zögern, desto drastischer sind die Konsequenzen unseres Abwartens. Jetzt zu handeln, ist unsere Pflicht«, heißt es in dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt.
Erstunterzeichner aus vielen Parteien
»Unsere Generation, unser Job«, lautet die Überschrift des Aufrufs, der sich für schnelles Handeln ausspricht und rhetorisch die Selbstbezeichnung der Aktivistengruppe »Letzte Generation« aufnimmt: »Wir alle gehören zur ersten Generation, die die Folgen der Erderhitzung spürt. Wir sind die Generation, die es so weit hat kommen lassen. Und wir gehören zur letzten Generation, die aufhalten kann, was uns droht: der globale Verlust unserer Kontrolle über die menschengemachte Klimakrise.«

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Vor Start der offenen Online-Mitzeichnung haben unter anderem Vertreter verschiedener demokratischer Parteien bereits unterzeichnet.
Aus der CDU etwa Heinrich Strößenreuther, Vorstand der Klimaunion und einer der Initiatoren der Aktion. Ulrich Burchardt, der Oberbürgermeister von Konstanz. Jürgen Becker, der frühere Staatssekretär im Umweltministerium unter den Ministern Norbert Röttgen und Peter Altmaier. Oder Ruprecht Polenz, früherer CDU-Generalsekretär unter Angela Merkel. Aus der CSU ist Klimaunionsmitglied Christina Nick als Erstunterzeichnerin dabei.
Von den Grünen haben unter anderem mehrere amtierende Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unterschrieben, etwa Katja Dörner (Bonn), Belit Onay (Hannover), Uwe Schneidewind (Wuppertal) und Stefan Fassbinder (Greifswald).
Aus der SPD haben sich zum Beispiel der langjährige Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup und verschiedene Vertreter der Gruppe SPD.Klima.Gerecht der Initiative angeschlossen.
Aus der Linken haben etwa der stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin und der Schatzmeister und frühere Berliner Senator Harald Wolf den Aufruf unterzeichnet.
Klima als Generationenaufgabe
»Klima ist kein ›Thema‹. Klima ist eine parteiübergreifende, staatstragende und historisch beispiellose Aufgabe«, heißt es in dem Schreiben, das scharfe Angriffe auf die Regierung vermeidet und in einem versöhnlichen Ton verfasst ist. »Lassen Sie uns unsere gemeinsame Verantwortung wahrnehmen. Wir sind bereit, wirksame Klimapolitik mitzutragen und zu verteidigen.«
Die Anpassung der Infrastruktur sei eine Mammutaufgabe, heißt es weiter. »Für diesen gewaltigen Umbau ist es wichtig, dass wir jetzt enorm an Tempo zulegen.« Es gehe darum, Energieversorgung auf Strom, auf Sonne, Wind und Speicher umzustellen, Gebäude zu dämmen, Mobilität ohne fossile Brennstoffe zu ermöglichen und Energie zu sparen: »Sofortiges, umfassendes, entschlossenes Handeln ist erforderlich. Dieses Handeln möchten wir als Unterzeichnerinnen und Unterzeichner von Ihnen als politisch Verantwortliche sehen«, steht in dem Papier.
Dezenter Hinweis auf Koalitionsstreit
Nur an einer Stelle findet sich auch ein Verweis auf die aktuelle politische Lage – die Ampel hatte sich im Koalitionsausschuss vergangene Woche geeinigt, die Verantwortung der einzelnen Ministerien für die Erreichung der Klimaziele in ihren Sektoren aufzuweichen: »Bei diesem Zeitdruck darf sich niemand verstecken. Wir brauchen die jahresscharfe Verantwortlichkeit und Verantwortliche explizit in allen Sektoren.«
Auffällig ist auch das Bemühen der Verfasserinnen und Verfasser, mit ihren Bezügen zur »Letzten Generation« den Konflikt zwischen der Aktivistengruppe und der Öffentlichkeit zu entschärfen. »Statt Klimaproteste zu verunglimpfen, erwarten wir, dass der Job gemacht wird, den wir als letzte Generation jetzt noch vollbringen können«, sagt der CDU-Mann Strößenreuther. Zu den Erstunterzeichnern gehört auch der Nürnberger Jesuitenpater Jörg Alt, der der »Letzten Generation« nahesteht und sich bei Aktionen schon von der Polizei hat abtransportieren lassen.
Weitere Erstunterzeichner sind der Erdsystemforscher Wolfgang Lucht vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, die Ökonomin Claudia Kemfert, der Klimakommunikator und Wissenschaftler Volker Quaschning, der Inklusionsaktivist Raúl Krauthausen und zahlreiche Vertreter von Umweltverbänden, etwa: Kai Niebert, Chef des Naturschutzrings, des Dachverbands der Umweltverbände, Christoph Bals, Geschäftsführer von Germanwatch sowie Jürgen Resch und Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.