Evolution Wie sich der Mensch vom Eierlegen befreite
Egal ob Mensch, Löwe, Känguru oder Schnabeltier - alle Säugetiere säugen ihren Nachwuchs mit Milch. Aber bevor es zum Säugen kommt, gibt es große Unterschiede: Die höheren Säugetiere ernähren ihren Nachwuchs im Uterus mit einem Nährstoffkuchen, der Plazenta - andere Säugetiere wie Schnabeltiere und Ameisenigel legen dagegen Eier.
Für diese Tiere ist der Eidotter der Quell des Lebens, genauso wie für Reptilien und Vögel. Umhüllt von der Eischale liefert der Dotter alle wichtigen Nährstoffe für die Embryos: Lipide, Phosphor, Calcium und Proteine.
Auf ein spezielles Protein, das Vitellogenin, das in der Leber produziert wird und in allen wichtigen Bestandteilen des Eidotters enthalten ist, konzentrierten sich jetzt Schweizer Forscher um David Brawand von der Universität Lausanne. Sie wollten der Frage nachgehen, warum die meisten Säugetiere prima ohne Eidotter auskommen. Die Wissenschaftler fahndeten in den Gensequenzen von Säugetieren nach Bereichen, die für die Herstellung von Vitellogenin verantwortlich sind. Als Vorlage diente das Genmaterial von Hühnern, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin "PLoS Biology" berichten.
Sie entdeckten inaktive Restposten der Eidottergene bei Hunden, Gürteltieren, Kängurus - und Menschen. Das beweist: Wir haben evolutionäre Wurzeln als Eierleger - auch wenn die Eidottergene bereits vor hundert Millionen Jahren ihren Dienst bei den höheren Säugetieren aufgaben.
Besonders interessierten sich die Forscher für Schnabeltiere, denn sie legen Eier, sind aber trotzdem Säugetiere. Bei den Schnabeltieren entdeckten die Biologen zwei Sequenzen mit Vitellogenin-Genen: Während eine Sequenz vor 50 Millionen Jahren seinen Dienst einstellte, ist die andere Sequenz noch aktiv. Dass nur noch eine Sequenz aktiv ist, erkläre nach Meinung der Forscher, warum die Eier der Schnabeltiere relativ dotterarm sind - im Vergleich zu Eiern von Vögeln und Reptilien. Aber diesen Verlust an Nährstoffen können sich die Schnabeltiere erlauben, wie der Blick auf ihr Erbgut beweist: Die Forscher entdeckten gleich drei Gene für Kasein, dem Milchprotein.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Kasein-Gene bei den gemeinsamen Vorfahren aller Säugetiere entwickelten. Und genau dieses Auftauchen der Milchproteine erkläre die Emanzipation der meisten Säugetiere vom Ei.
Dabei habe die Milchproduktion ursprünglich eigentlich nur einem Zweck gedient: dem Befeuchten der Eier. Dennoch war es ein entscheidender Schritt: Das Eidotter war plötzlich nicht mehr die einzige Nahrungsquelle für den Nachwuchs - es war der erste Schritt weg vom Ei und hin zur Milch.
Im Laufe der Evolution emanzipierten sich die meisten Säugetiere dann vollständig vom Ei: Sie entwickelten Plazenta und ausgefeiltere Säugertechniken, wie Drüsen und Zitzen - die Eidottergene verkümmerten vollständig. Das Säugen mit Milch wurde die treibende Kraft in der Evolution der Säugetiere.
An unsere evolutionären Wurzeln als Eierleger erinnern uns jetzt also nur noch die Schnabeltiere.
ama